Italien

Das Leben nach Christi Geburt

Pompeji: Blick in die Via dell’Abbondanza. Foto: kw

Zu Besuch in Pompeji und Herkulaneum bei Neapel

„Nichts währt ewig“, hallt die mahnende Stimme des Hausherrn Julius Polybius durch den Raum, während seine Gestalt im Rauch entschwindet. Der als Hologramm „wiederauferstandene“ Beamte ist Teil eines neuen Angebots in Pompeji, mit dem die Besucher einen erleichterten Zugang zu der Stadt und der Zeit vor dem Vulkanausbruch vor 2.000 Jahren bekommen sollen.

Wer ins Vestibül tritt und die Tür schließt, hört „von draußen“ knarzende Karren, Pferdegetrappel, Rufe und das Hämmern auf Holz und Metall, als wäre man mittendrin im Alltag des 24. August 79 nach Christus in der kleinen Handelsstadt zwischen dem Vesuv und Neapel.

Feine Schwaden von Bergamotte und Wacholder durchziehen die Räume des Polybius-Hauses. Aus der Küche hört man Topfgeklapper und brutzelndes Fett. Ein Glöckchen ruft zum Abendessen. Doch dann heult plötzlich der Wind, Hunde bellen, von Ferne ist ein Donnern und Zischen zu hören, und der Reiseleiter bittet die Besucher in den schwarzen Salon, wo sich die nicht mehr vorhandene Tür akustisch mit einem Rums schließt.

Aufgeregte Stimmen, die immer hohler und verzerrter werden, tönen in der Dunkelheit. Nun erscheint die schwangere Tochter des Hausherrn stumm und entsetzt als Hologramm, kurz darauf hört man ihren Herzschlag und den ihres Fötus, bis auch diese verstummen und es totenstill wird. Eine Stille, die die zwölf Bewohner bis ins 20. Jahrhundert unter einem riesigen Berg von Asche und Gesteinsfragmenten einschloss.

Mit ihnen erstarrte damals die komplette Stadt Pompeji, in der bis zu 10.000 Menschen lebten. Wer nicht in die Häuser flüchtete, starb an Steinschlag und Glutlawinen oder erstickte durch die Vulkangase wie der Historiker Plinius der Ältere zwei Tage später vor den Stadttoren.

Zurück ins Heute. Für Pompejis 45 der 66 ausgegrabenen Hektar reicht ein Besuchstag kaum. Im etwa 20 Kilometer entfernten Herkulaneum wurden nur 4,5 Hektar wieder ausgegraben. Hier braucht man keine Inszenierung, um einen Eindruck vom Leben von damals zu bekommen. Da dieser Ort meterhoch von Lava überrollt wurde, konnten die Häuser fast komplett ausgegraben werden, auch Holztüren, Mobiliar und Stoffe blieben erhalten.

Und so spaziert man in den Ruinen wie in einem verlassenen Dorf herum. Viele Handwerkerwohnungen spiegeln die Arbeitswelt wider. Der Bäcker wohnte nicht weit vom Thermopolium entfernt, wo man zu Mittag aß. Eine Gasse weiter, und man steht in den Thermen, ganz nahe dem Priesterkolleg der Augustalen. Noch eine Gasse weiter und das heutige Ercolano ragt auf der Lava, die seinen Vorgänger im Sommer 79 ausgelöscht hatte.
Karin Willen
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