Italien

Die Genusskapitale

In Bologna können Besucher können Besucher durch schönste Arkadengänge schlendern. Foto: Dezalb/pixabay

In Bologna können Besucher können Besucher durch schönste Arkadengänge schlendern. Foto: Dezalb/pixabay

Bologna ist für gutes Essen bekannt – und bietet doch viel mehr

Luisa ist flink. Innerhalb von zehn Minuten formt sie mit ihren geschickten Händen mehrere Dutzend Exemplare bekannter Nudelspezialitäten, angefangen von Ravioli über Farfalle bis hin zu Tagliatelle und Spaghetti. Luisa arbeitet seit acht Jahren in der Bologneser Cantina Bentivoglio und ist dort bereits so etwas wie eine Institution. "Täglich steht sie bis zu zehn Stunden in der Küche und sorgt für frische, köstliche Pasta", schwärmt Restaurant-Manager Corrado Vitale von der "leidenschaftlichen Köchin". Vergangenes Jahr konnte sie ihre Fingerfertigkeit sogar auf der Expo in Shanghai vorführen.

Damit hat die Nudelbotschafterin der Welt nur noch mal vor Augen geführt, was viele ohnehin wissen: Bologna ist eine Genussmetropole, geradezu eine Kapitale des guten und vor allem reichhaltigen Essens. Dass die Heimat der Tortellini und Mortadella im Herzen der Emilia-Romagna deshalb auch den Beinamen "La Grassa" (die Fette) trägt, ist zwar wenig schmeichelhaft, trifft den kulinarischen Status quo in den Straßen und Gassen der Altstadt aber ziemlich genau.

Dort, unweit der Piazza Maggiore, geben sich nämlich alteingesessene Feinkostgeschäfte wie Atti oder Tamburini geradezu die Klinke in die Hand, saugen den Besucher allein durch ihre überquellende Auswahl vom Schaufenster weg in ihre Läden. Und wer sie betritt, steht unvermittelt in einem wahren Wald aus Salamis und Parmaschinken, die nur noch von der Decke hängend Platz finden. Ein Paradies, in dem man jeden Moment damit rechnen muss, dass einem die Brathähnchen in den Mund fliegen.

Wer sich also eher dem Gesundheits- oder Aktivurlaub verschrieben hat, sollte um die norditalienische Stadt einen Bogen machen. Und wer Kultur, Geschichte und Architektur liebt, sowieso - schließlich findet jener sein Mekka im nur 100 Kilometer entfernten Florenz. Dieser Rat ist natürlich blanker Unsinn: In Bologna steht mit Santo Stefano eine Basilika, die gleich sieben Kirchen beherbergt, in Bologna schlendern Besucher durch schönste Arkadengänge, die auf eine rekordverdächtige Gesamtlänge von fast 40 Kilometern kommen. Und in Bologna hat im 11. Jahrhundert die erste Universität Europas ihre Tore geöffnet, wo heute 90.000 Studenten eingeschrieben sind und in denen populäre Lehrmeister wie Umberto Eco jahrzehntelang doziert haben. Noch Fragen?

Ja. Wie kommt es, dass "La Dotta" (die Gelehrte), wie Bologna wegen ihrer renommierten Hochschule auch genannt wird, zugleich eine Ansammlung von Kuriositäten ist? Immerhin steht dort mit der gigantischen Basilika San Petronio die fünftgrößte Kirche der Welt, die in ihrer Baugeschichte aber nicht über das Hauptschiff hinausgekommen ist und deren vordere Fassade nur zu einem Drittel mit Marmor bedeckt ist. Oder der Wahnwitz, mit dem führende Familien, Kirchen und öffentliche Würdenträger die Stadt im Mittelalter mit 140 Türmen zugestellt haben, von denen heute vor allem der "Torre Garisenda" und der fast 100 Meter hohe "Torre degli Asinelli" als prominente Wahrzeichen zeugen.

Wer sich dann fragt, warum diese derart schief in den Himmel ragen, kann sich gleich weiter amüsieren: Die Bologneser bauten damals munter drauflos, versäumten es aber, den Durchmesser der Türme bei zunehmender Höhe zu verjüngen. Dadurch wurden die Bauwerke oben zu schwer, der unsichere Untergrund tat sein Übriges. Schilda - pardon! - Pisa lässt grüßen.

Thomas Riebesehl
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