Portugal

Wo Portugal geboren wurde

Zählen zu den Sehenswürdigkeiten von Guimaraes: die Burg mit dem Königsdenkmal ...

Guimaraes ist Europäische Kulturhauptstadt 2012

... und die Kirche S Gualter. Fotos: af

Es surrt. Es schwankt. Es holpert verdächtig. Jetzt nur nicht nach unten schauen! Wer sich mit der Seilbahn hoch auf den Berg Penha im Norden Portugals transportieren lässt, sollte nicht unter Höhenangst leiden. Zehn Minuten dauert die Reise, dann hat die Kabine 1,7 Kilometer zurückgelegt - und am Drahtseil hängend eine Höhe von 400 Metern überbrückt. Auf der Spitze des Bergs wartet die Belohnung. "Hier oben", sagt Amadeu Portilha und breitet die Arme aus, "liegt uns die Wiege Portugals zu Füßen."

Gemeint ist damit Guimaraes, die Europäische Kulturhauptstadt 2012, deren Wirrwarr an engen Straßen, mittelalterlichen Bauten und spitzer Kirchtürme sich am Fuße des Bergs ausbreitet. Die Stadt trumpft nicht unbedingt mit ihrer Größe auf, gerade einmal 160.000 Menschen wohnen in der Gemeinde. "Aber", sagt Portilha, der als Dezernent der Stadtverwaltung zum Organisationsteam des Kulturhauptstadtjahrs gehört, "hier hat alles angefangen." Dabei streckt er den Arm aus und zeigt mit dem Finger auf eine romanische Burg, die auf einer Anhöhe über der Stadt thront.

Anfang des 12. Jahrhunderts erblickte Alfonso Henriques, der erste König Portugals, hinter den mächtigen Mauern des Castelos das Licht der Welt. Später sollte er Guimaraes zur ersten Hauptstadt des Landes machen. Steigt man vom Berg Penha hinab zu seiner Burg, begegnet man ihm als stattlichen Ritter, den Blick auf seine Hauptstadt gerichtet. Hinter seinem Denkmal liegt die kleine romanische Kapelle Sao Miguel, in der er getauft wurde und die mächtigen, von Zinnen besetzten Mauern des Palasts der Herzöge von Braganca aus dem 15. Jahrhundert. "Hier wurde Portugal geboren", sagt Portilha und blickt ebenso stolz drein wie der König auf dem Sockel.

Portilha arbeitet im Rathaus der Stadt, nur ein paar Fußminuten von Burg und Palast entfernt, und hofft, dass die Ernennung zur Kulturhauptstadt Guimaraes mehr Aufmerksamkeit verschafft. Rund 1,7 Übernachtungen verbringt der Besucher durchschnittlich in Guimaraes, das sei ausbaufähig. Vielen europäischen Touristen sei die Unesco-geschützte Stadt noch kein Begriff, die meisten Portugal-Besucher reisten in den Süden, in die Algarve oder nach Lissabon. Wer den Norden des Landes erkundet, landet in der Hafenstadt Porto, die etwa eine Autostunde entfernt liegt. Guimaraes werde oft nur während eines Tagesausflugs besichtigt. Portilha schlendert die älteste Straße der Stadt, die Rua Santa Maria, entlang, an deren Seiten sich Paläste und Bürgerhäuser vergangener Jahrhunderte reihen. Die Pflastersteingasse führt zum Platz da Oliveira, wo sich die rund 600 Jahre alte Kirche Igreja de Nossa Senhora da Oliveira erhebt.

"Sicher", gibt Portilha zu, "unsere Altstadt ist schnell durchschritten." Als Europäische Kulturhauptstadt möchte die Stadtverwaltung ihre Besucher deshalb auch in andere Viertel locken und so zum längeren Verweilen animieren. So wurden in den vergangenen Jahren der Ausbau und die Renovierung eines ehemaligen Industriegebiets vorangetrieben, in dem nun digitale Werkstätten und ein Designlabor untergebracht sind. Und im Sommer eröffnet in einer alten Markthalle die "Plataforma das Artes", eine Ausstellungsfläche für moderne Kunst.

Bei den geplanten kulturellen Veranstaltungen setzt die Stadt auf bekannte kulturelle Größen wie den Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa, den Filmemacher Manoel de Oliveira und den englischen Theaterregisseur Peter Brook. "Aber wir wollen auch Nachwuchskünstler mit einbeziehen", sagt Francisca Abreu, eine Kulturbeauftragte der Stadt. So werde ein Orchester junger Musiker aus 27 Ländern ein Jahr lang Konzerte in und um Guimaraes geben - auch auf der Serra da Penha, jenem Berg, dem Guimaraes zu Füßen liegt.
Alexandra Frank
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