Ukraine

Langsam satteln – schnell reiten

Bald werden die Fußball-Fans die Kiewer Innenstadt bevölkern.

Die ukrainische Stadt Kiew ist nicht nur während der EM sehenswert

Auch wenn lange gezweifelt wurde - das Olympiastadion in Kiew, in dem am 1. Juli das Endspiel der Fußball-Europameisterschaft stattfindet, konnte bereits im Herbst 2011 bespielt werden. "Die Ukrainer satteln langsam, aber sie reiten schnell", erklärt Natascha Jazko, die seit vielen Jahren Studiosus-Gäste durch Kiew führt.

Die dreijährige Modernisierung für die EM 2012, während der das Olympiastadion unter anderem ein transparentes Dach erhielt, kosteten mehr als eine halbe Milliarde Euro. Trotz der hohen Kosten freuen sich die meisten Ukrainer auf das Sportereignis. Auch die Reiseleiterin sieht die Europameisterschaft positiv: "Man sagt, unser Land ist bislang noch ein schlafender Riese." Sie hofft, dass die Gäste feststellen werden, wie schön die Ukraine ist.

Denn nicht allein Fußballbegeisterten hat Kiew, die Hauptstadt der Ukraine, viel zu bieten. Die Stadt ist stolz auf ihre weit über tausendjährige Tradition. "Um das Jahr 1240 hatte Kiew rund 50.000 Einwohner und war zweitgrößte Stadt Europas", berichtet Jazko. Der Schutzpatron der Stadt ist Wladimir, der Heilige. Der mittelalterliche Kriegsherr und Großfürst erkämpfte sich mit einem skandinavischen Söldnerheer die Macht im Kiewer Rus, dem mittelalterlichen Großreich. Wladimir gilt als der Mann, der das Christentum in der Stadt und der Region einführte. Bevor er im Jahr 988 die Prinzessin Anna von Byzanz heiratete, ließ er sich im Dnjepr taufen.

Rund 900 Jahre nach der Einführung des Christentums wurde in Kiew die Wladimir-Kathedrale eröffnet. Sie ist der Hauptsitz der ukrainisch-orthodoxen Kirche Kiewer Patriarchats, eine orthodoxe Kirche, die bewusst auf Distanz zu Moskau geht.

Kiew, so betont Jazko, ist eine der drei bedeutsamsten Stätten des orthodoxen Glaubens - und steht damit gleichauf mit dem Berg Athos in Griechenland und der Stadt Jerusalem. In der Stalinzeit freilich waren die vielen Kirchen in der Stadt den Herrschenden ein Dorn im Auge: Mehr als 150 Gotteshäuser wurden dem Erdboden gleichgemacht, das heißt "geköpft", und umfunktioniert.

Auch die Klosterkirche von St. Michael wurde 1936 kurzerhand in die Luft gesprengt. Seit gut zehn Jahren ist sie wieder aufgebaut; ihre vergoldeten Dächer und die hellblauen Fassaden sind weithin sichtbar. Heute zählt sie zum "heiligen Dreieck" der Stadt. Zu diesem gehören auch die smaragdgrüne Andreaskirche - das kleine architektonische Juwel aus dem 18. Jahrhundert wurde einst von Bartolomeo Francesco Rastrelli geschaffen.

Dritte im Bunde ist die Sophienkathedrale, die seit 1990 als Weltkulturerbe unter dem Schutz der Unesco steht. Sie wurde ursprünglich vor knapp 1.000 Jahren nach dem Vorbild der Hagia Sophia in Konstantinopel errichtet und war über Jahrhunderte die Hauptkirche der Kiewer Rus.
Rainer Heubeck