Italien

Hotel-Suche in der Schlossallee

Monopoly in Monopoli.

Zu Besuch im apulischen Küstenstädtchen Monopoli

Sonnen an der Stadtmauer. Fotos: hs

Die Straße ist eng, keine zwei Meter breit. Von den Balkonen hängt Wäsche, die Geländer sind rostig, von irgendwoher dudelt das Radio durchs offene Fenster. Ein Hotel gibt es in der schmalen und kaum 50 Meter langen Schlossstraße von Monopoli weit und breit nicht - aber wenigstens ein Handtuch hängt zum Trocknen aus einem der Fenster, das irgendwer mal in einem Hotel hat mitgehen lassen. Es trägt das eingewebte Ibis-Logo.

Auf dem Monopoly-Spielplan ist die Schlossallee die teuerste Adresse. Wer ein bisschen Würfelglück hat und es schafft, sie zu kaufen und dort ein Hotel zu bauen, hat das beliebte Gesellschaftsspiel so gut wie gewonnen. In Monopoli an der Adria zählt diese Adresse wenig: nicht teuer, nicht besonders edel, keine Allee, sondern eine Gasse - aber stimmungsvoll. "Ein Hotel in unserer Straße?" Die Frau auf dem Balkon sagt dies lachend. "Zu eng, zu alt, zu schön. Das hat noch keiner versucht", ruft sie herunter.

Auch anderen Adressen aus dem Immobilienhai-Spiel finden sich tatsächlich in der süditalienischen Wirklichkeit wieder, wie die Hafen- und die Seestraße. Fast 50.000 Einwohner hat Monopoli in Apulien. Etwa 40 Kilometer südlich von Bari klebt sie auf einem Kliff, geht auf eine griechische Gründung aus vorchristlicher Zeit zurück. Wer hin will, braucht nicht erst über "Los" zu gehen, muss keine Ereigniskarte ziehen und normalerweise auch nicht ins Gefängnis - obwohl es ganz in der Nähe ein große Haftanstalt gibt.

Dicke Bargeld-Bündel braucht auch niemand. Denn das echte Monopoli ist preiswert geblieben: zwei Euro fünfzig kostet ein Kännchen Tee im Freien auf der Piazza Garibaldi in der Altstadt, keine zwei Euro die Tasse Cappuccino, zehn Euro ein paar Schritte weiter die stattliche Mittelmeer-Brasse vom Grill, dreizehn Euro das zehngängige Antipasti-Menü im besten Lokal der Altstadt.

Der ganz große Tourismus ist hier noch nicht angekommen - nur im August, wenn ganz Italien rund um Mariä Himmelfahrt unterwegs ist. Dann tummeln sich die Norditaliener in den vor allem auf Familien ausgelegten Ferienanlagen am südlichen Stadtrand und feiern den Hochsommer. Den Rest des Jahres bestimmt provinzielle Ruhe das Bild in Monopoli. Anders als im Spiel gibt es auch nur einen Bahnhof, an dem wenig los ist. Der einzige Wartesaal hat 18 unbequeme Drahtstühlchen. Stündlich fahren Züge nach Bari - und einmal am Tag in fast fünf Stunden nordwärts nach Rom. Es gibt sechs kleine Museen, aber keine Museumsstraße. Das Theater hat vor dreißig Jahren dicht gemacht, und eine Theaterstraße hat es nie gegeben.

Drei Hotels gibt es im Zentrum von Monopoli - und über fünfzig Bed & Breakfast-Pensionen mit zum Teil nur einem Zimmer. In der Altstadt sind sie eingezogen, wo viel Leerstand herrschte. Denn es gab dort bis vor sechs Jahren keine Straßenbeleuchtung und kaum einer wollte bei Dunkelheit einen Schritt in das Labyrinth setzen. Deshalb ist so Vieles erhalten geblieben. Die Substanz galt so wenig, dass nicht mal die Abrissbirne kam - und inzwischen reift ein anderes Bewusstsein.
Helge Sobik
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