Türkei

Mit Bibel, Thora und Koran

Authentische Türkei: Brotverkäufer in Antakya. Foto: aze

Südosttürkei: Eine Reise nach Sanli Urfa und Antakya ist auch eine Reise zum Schnittpunkt dreier Weltreligionen

Für Veranstalter von Studien- und Erlebnisreisen bietet Anatolien eine gewaltige Fundgrube an historischen, kulturellen und landschaftlichen Schätzen. Zum Beispiel Sanli Urfa im Südosten. Hier soll einst Abraham geboren worden sein – auf den sich Juden, Christen und Muslime als Stammvater berufen.

Die Teiche an Abrahams Geburtsgrotte sind quicklebendig: Dicht an dicht ragen Glubsch-augen und aufgerissene Mäuler aus dem Wasser. Gruppen kichernder Mädchen und verschleierter Frauen werfen Futter in die brodelnde Masse. Die fetten Karpfen werden garantiert nicht in der Pfanne landen, sie sind heilig!

Jedes Kind kennt hier die Legende vom grausamen König Nimrod, der den aufmüpfigen Abraham mit einer riesigen Schleuder von der Zitadelle auf einen brennenden Scheiterhaufen werfen ließ. Doch Gott bescherte Abraham eine sanfte Landung. Er ließ das Feuer zu Wasser werden und die glühenden Scheite zu Fischen. So ist Sanli Urfa bis heute eine der wichtigsten heiligen Stätten des Islam und Ziel vieler Pilger.

Besonders Frauen drängen sich in der niedrigen, engen Grotte und bitten um den gewünschten Sohn. Schließlich schenkte Gott Abraham und Sarah auch in greisem Alter noch einen strammen Stammhalter. Urfa, das antike Edessa, bestand schon seit Anbeginn der vorderasiatischen Hochkulturen und spielte im frühen Christentum eine wichtige Rolle. Für kurze Zeit gab es hier sogar den ersten Kreuzfahrerstaat, bis Edessa wieder an die Muslime fiel. Von Sanli Urfa ist ein Abstecher nach Harran, die Stadt der Lehm-Trulli, obligatorisch. Auch hier ist biblisches Land: Rebekka und Jakob waren da, Abraham soll in Harran gewohnt haben, bevor er nach Kanaan zog.

Hier sammelten die besten Gelehrten ihrer Zeit die Schüler in der ersten islamischen Universität. Viel ist nicht geblieben von der großen Vergangenheit: Ruinen der alten Zitadelle und der einst großartigen Omayadenmoschee sowie Fragmente der Universität.

Auf den Spuren der ganz frühen Christen wandelt man in Antakya, dem alten Antiochia, unweit der syrischen Grenze. In römischer Zeit zählte Antiochia nach Rom und Alexandria zu den reichsten Städten des Riesenreiches.Die Lage unweit der Küste war ideal: Der Fluss Orontes verband die mächtige Metropole mit dem Mittelmeer, Karawanenstraßen führten nach Persien, Syrien und Indien.

Früh schon konnte das Christentum hier Fuß fassen, wie in der Apostelgeschichte 11.21. überliefert ist: „Es wurden die Jünger zuerst in Antiochien Christen genannt.“ Und nach der Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 wurde Antiochia eines der bedeutendsten Stätten der Christenheit. Von hier startete Paulus zu drei Missionsreisen, Apostel Petrus wirkte einige Jahre in der Stadt.

Bis heute ist die Bevölkerung multikulturell. Neben muslimischen Türken mischen Araber, Griechisch-, Syrisch- und Armenisch-Orthodoxe, Katholiken, Protestanten und Juden im Stadtleben mit. Glockenturm, Minarett und Synagoge stehen im „ökumenischen Dreieck“ in friedlicher Co-Existenz beieinander.

Von Antiochia sind nicht mehr allzu viele Zeugnisse erhalten geblieben, da die moderne Stadt auf der verschütteten alten entstand. Hauptziel der Studienreisenden ist die St.-Petrus-Grotte, die von Apostel Petrus geweiht worden sein soll. Einen Eindruck von der Pracht der antiken Stadt geben die Funde im Archäologischen Museum. Besonders sehenswert ist die bedeutende Sammlung großartiger römischer Mosaike.

Zudem lässt es sich sehr angenehm durch die Stadt schlendern. Besonders im älteren Teil oberhalb des Flusses verläuft das Leben in ruhiger Gangart. Winzige Läden und Werkstätten säumen die Gassen: Hier wird Blech geklopft, dort surrt eine Nähmaschine, daneben duftet es nach frischem Brot.

Im Basar wird der Tourist mit freundlicher Neugierde begrüßt, darf hier eine Feige und dort einen Keks probieren. Und natürlich findet sich immer jemand der Deutsch spricht, weil er in Wolfsburg oder Stuttgart gearbeitet hat.
Monika Zeller
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