Deutschland

Italienische Verhältnisse

So idyllisch ist die Bergstraße zur Frühlingszeit

Bergstraße: Nirgendwo in Deutschland kommt der Frühling schneller

Die Raser auf der A5 zwischen Karlsruhe und Frankfurt ahnen nichts vom Garten Eden. Ihnen fällt beim flüchtigen seitlichen Blick aus dem Fenster allenfalls ein weißer Hauch in der Ferne auf. Schnee kann es nicht sein, dazu ist es zu spät im Jahr. Der helle Schimmer ist die Baumblüte.

"Zur Zeit der Mandel-, Pfirsich- und Kirschblüte kann selbst das Paradies nicht schöner gewesen sein als die Bergstraße", schrieb der Philosoph Karl Julius Weber einst. Gut 80 Kilometer umfasst die "Bergstraße" an den Westhängen des Odenwaldes. Fast von jeder Kuppe der Bergstraße grüßt eine Burg.

Gleich die erste Feste südlich von Darmstadt hat Literaturgeschichte gemacht. Der englischen Schriftstellerin Mary Shelley kam angesichts der pittoresken Burgruine Frankenstein die Idee für die Namensgebung des Monsters, das zum Bestseller wurde. Frankensteins Feste ist der erste Höhepunkt des "Burgenwegs Bergstraße", der sich bis Heidelberg auf Schusters Rappen erwandern lässt. Der mit gelbem B gekennzeichnete "Blütenweg" verläuft weiter unten durch Gärten.

Blühende Obstbäume stehen wie Zuckerwattebündel auf die Hänge gesteckt. Besonders schön präsentieren sich die einzeln zwischen den Reben stehenden zartrosa schäumenden Mandelbäume. Auf der höchsten Mauer der pittoresken Ruine des Auerbacher Schlosses krallt sich, ganz mediterran anmutend, eine mächtige Kiefer ins nackte Gestein und wacht über das romantische Idyll. Die Frankfurter Hochhäuser wirken aus der Ferne wie eine Phalanx grauer Riesen.

Von hier aus ist es nur noch ein Katzensprung zum "Fürstenlager", einst Sommersitz der Landgrafen von Hessen-Darmstadt. Eine Lindenallee führt zu einem Ensemble von Barockgebäuden wie dem "Prinzenbau" oder dem "Damenbau mit Weißzeugchen". Im malerischen Talgrund mit Teichen gingen die Adligen ihrer Landlust nach.

Als die Eisenbahn entlang der Bergstraße rollte, fand sich auch die Zarenfamilie zur Sommerfrische im Park mit einem der ältesten Mammutbäume Deutschlands ein. Man kann hier heute noch stilvoll in einem lauschigen Hotel absteigen. Und vielleicht auch den ein oder anderen Bergsträßer Wein probieren. Besonders die Weißweine dieses kleinsten deutschen Weinbaugebietes verblüffen mit exotischen Noten von Passionsfrucht und Schwarzer Johannisbeere.

Wem dagegen der Sinn nach einer weiteren Feste steht, läuft den Burgenweg weiter zur mächtigen Starkenburg. Am Fuß der Feste liegt Heppenheim mit historischem Marktplatz und Fachwerkidylle wie aus einem Bilderbuch. In windgeschützten Ecken sitzt man bereits beim Eiscafé im Freien. Schon Goethe konnte hier "den Frühling riechen". Am treffendsten aber hat der Habsburger Kaiser Joseph II. auf der Durchreise gen Wien sein Entzücken über die Bergstraße ausgedrückt: "Hier fängt Deutschland an, Italien zu werden ..."
Claudia Diemar