Russland

Zarenprunk und Inselidylle

Ausruhen vom Sightseeing: im ländlichen Idyll von Kischi.

Mit dem Nicko-Tours-Schiff Tschitscherin durch Russland

Beliebtes Ausflugsziel: der prachtvolle Peterhof. Fotos: aze

Das Programm in St. Petersburg wird anstrengend. Erst mal gemütlich mit dem Ausflugsboot durch die Kanäle schippern, vorbei an den bunten Kuppeln der Auferstehungskirche, geht es unter Brücken hindurch zur Newa. Die Ufer des breiten Flusses flankieren Prachtbauten, allen voran der berühmte Winterpalast der Zaren, heute Teil der Eremitage mit ihren unermesslichen Kunstschätzen. Vom Wasser aus wird schnell klar, warum St. Petersburg das Venedig des Nordens genannt wird. Und überall die steinernen Zeugen von Zarens Glanz und Gloria.

So auch im Katharinenpalast im nahen Ort Puschkin: Gold im Überfluss, wertvollste Ausstattungen, feinstes Porzellan, und als Höhepunkt das rekonstruierte Bernsteinzimmer. Auch die mächtigen Statuen in den üppigen Wasserspielen des Peterhofs glitzern protzig golden vor der Palastkulisse.

"Leinen los" heißt es an Bord des Nicko-Tours-Schiffes Tschitscherin nach zwei dicht gedrängten Besichtigungstagen, die Kreuzfahrt auf dem Fluss-, Kanal- und Seensystem Richtung Moskau beginnt. Eine andere Welt tut sich auf: Am Flussufer hölzerne Kuppelkirchen statt goldener Pracht, bunt bemalte Holzhäuschen in kleinen Dörfern, bis schließlich die ehemalige Schlüsselburg am Beginn des riesigen Ladoga-Sees vorbeigleitet.

Europas größtes Binnengewässer, 220 Kilometer lang und 180 Kilometer breit, ist allerdings so flach, dass der Kapitän mit Hilfe von Baken und Leuchtbojen oft im Zickzack den Fahrrinnen folgen muss. Davon merken die Gäste ­allerdings kaum etwas, die erst am nächsten Morgen auf dem Fluss Swir wieder die Einsamkeit einer kaum ­bewohnten Waldlandschaft erleben.

Nach dem größten folgt bald der zweitgrößte See Europas, der Onegasee. Hier steuert die Tschitscherin durch nordische Inselwelten bis nach Karelien zu einem ganz besonderen Kleinod: der Insel Kischi mit ihren einmaligen Holzkirchen. 22 pyramidenartig ansteigende Schindelkuppeln schmücken das größte Gotteshaus, das mit weiteren Kapellen, Windmühlen und karelischen Bauernhäusern von der Unesco zum Weltkulturerbe erhoben wurde. Trotz der abseitigen Lage am gefühlten Ende der Welt ist Kischi das Ziel aller Kreuzfahrten zwischen St. Petersburg und Moskau - und einer der Höhepunkte.

Durch Stalins Schleusen 16 Schleusen müssen die Schiffe auf der gesamten Strecke passieren, die unter Stalin durch ein Kanalsystem schiffbar gemacht wurde. Dennoch wirken die Kanäle zwischen den Seen und Flüssen heute wie natürliche ­Gewässer, an denen die endlosen ­Nadel- und Birkenwälder bis ans Ufer reichen. Mehrmals ragen verfallende Kirchtürme aus dem Wasser, stumme Zeugen versunkener Dörfer und Städte. Doch auch Kultur liegt an der ­Strecke, eines der größten russischen Klöster in Goritzy zum Beispiel oder der Uglitscher Kreml am Oberlauf der Wolga. Hier wurde 1591 Dmitri, der letzte Sohn Iwans des Schrecklichen, umgebracht, um sein Fürstengeschlecht auszulöschen.

Moskau - das Ziel unserer Flusskreuzfahrt. Das alte Hafengebäude in zuck­riger Stalin-Architektur erweist sich als bröselnde, einsturzgefährdete Ruine. Umso glanzvoller die Bauwerke in der Stadt, allen voran natürlich der Kreml mit seinen Kirchen. Den Roten Platz schmücken die kunterbunte Basilius-Kathedrale und der Konsumtempel des Kaufhaus Gum, in dem längst neuer Chic mit den angesagtesten internationalen Labels eingezogen ist.

Zu einem besonderen Höhepunkt Moskaus muss man in die Tiefe gehen. Was in St. Petersburg für die Zaren ihre Schlösser waren, schuf Stalin mit den Metrostationen: Paläste fürs Volk. Endlos lange Rolltreppen führen zu den von Künstlern jener Zeit luxuriös mit Statuen, Mosaiken, Lüstern und Bildern ausgestatteten Bahnhöfen. Und so beschert zum Abschluss der Kreuzfahrt eine U-Bahn-Fahrt zu den prächtigsten Stationen einen weiteren Seh-Genuss - diesmal der unterirdischen Art.
Monika Zeller