Türkei

Genießen wie die Römer

Yusuf bedeckt den Badegast vollkommen mit Seifenschaum.

Ein Ausflug in die römisch-osmanische Badekultur

Überreste in Perge. Fotos: jm

Ahmed ist 32 Jahre alt und von Beruf Controller. Einmal pro Woche geht er ins Hamam. „Für mindestens zwei Stunden“, sagt er. „Das kann entspannend sein, unterhaltsam oder anstrengend – das hängt davon ab, wen man im Bad sieht.“

Trifft er seinen Geschäftsführer, wird über Zahlen gesprochen. Sind seine Freunde da, wird’s lustig. Und wenn er mal niemanden trifft, dann genießt Ahmed einfach. So wie es sein Kollege aus den Verwaltungstürmen von Perge vor knapp 2.000 Jahren auch gemacht hat. Die antiken Türme sind gut erhalten, wie auch die Thermen gleich daneben.

Damals gehörte der tägliche Gang ins Badehaus selbstverständlich zum Tagesablauf eines jeden römischen Bürgers. Perge, erstmals im 4. Jahrhundert vor Christus erwähnt, hatte seine Blütezeit während der römischen Kaiserzeit im 2. Jahrhundert. Bis jetzt ist nur ein Bruchteil der ehemals 20.000-Einwohner-Stadt ausgegraben: Agora, Akropolis, große Säulenstraße, die Verwaltungstürme und das Badehaus.

Es gehört nur wenig Vorstellungskraft dazu, sich das Marktgeschrei, die Fuhrwerke oder die Badefreuden um anno 170 nach Christus vorzustellen, als Mark Aurel in Rom herrschte und in Perge die reichen Leute und hohen Beamten ihren Aufenthalt in den Thermen äußerst kurzweilig gestalteten.

So boten nicht nur die Badeeinrichtungen reichlich Abwechslung, man konnte sich darüber hinaus auch von Masseuren und Übergießern verwöhnen – oder aber vom Haarauszieher quälen lassen: Wenn der jemandem die Haare ausriss, blieb kein Auge trocken. Es sollen aber auch Orgien mit Wein, Weib und Gesang im Badehaus gefeiert worden sein.

Für Yusuf, den heutigen Hamam-Meister im The Dome in Belek, hat seine Familie den Traditionsberuf beschlossen. Sein Wissen stammt vom Onkel. Yusuf übergießt den Gast mit unterschiedlich temperiertem Wasser, bedeckt ihn vollkommen mit Seifenschaum, der aus einem Leinensack geschlagen wird, säubert, schrubbt und knetet die Haut, ehe das Klatschen der Masseurshände auf den Rücken das Finale einläutet.

Wichtigste Voraussetzung für den reibungslosen Badeablauf war und ist eine ausgeklügelte Heiztechnik und ein funktionierendes Be- und Entwässerungssystem. Die technischen Anlagen wurden zu Mark Aurels Zeiten noch von Sklaven, später von Angestellten bedient und gewartet.

Der Badeablauf war durch die Anordnung der Räume vorgegeben: Im Apodyterium legte man seine Kleidung ab, wo sie vom Capsarius, dem Garderobier, gegen eine Gebühr bewacht wurde. Anschließend begab man sich nackt zu Ballspiel und Sport in die Palaestra oder direkt in den Badetrakt, wo man nach der Körperreinigung zunächst das Heißbad – Caldarium – und anschließend ein Warm- und Kaltbad – Tepidarium und Frigidarium – aufsuchte.

Für den ordnungsgemäßen Ablauf des Badebetriebes war der Balneator, der Bademeister, zuständig. Ihm standen zahlreiche Helfer zur Seite, unter ihnen der Perfusor, der Übergießungen vornahm.

Das erste türkische Hamam entstand um 600 in Bursa. Der Pascha ließ es fürs Volk bauen. „Unser türkisches Hamam ist aus den römischen Thermen hervorgegangen, wie man sie in Perge noch bestens sehen kann. Die Osmanen haben lediglich die Architektur verändert“, sagt Yusuf. Und weibliche Gäste werden heutzutage auf Wunsch von einer Natir, einer Bademeisterin, bedient.
Jochen Müssig
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