Deutschland

Bodden, Backstein, Bambushaie

Großartiges Ensemble: das Rathaus und die himmelsstrebende Nikolaikirche. Foto: aze

Stralsund: Der Reichtum der Hanse ist in der Stadt noch heute sichtbar

Ein kapitaler Bursche, dieser Boddenhecht – einen Meter lang, mindestens. Am Hafen fachsimpeln Angler lautstark über den beachtlichen Fang. „Gar keine Seltenheit“, meint Stadtführer Martin Kramer sichtlich stolz auf „Deutschlands bestes Anglerrevier“. „Im Strelasund und den Boddengewässern um die Insel Rügen gibt’s die tollsten Hechte, dicke Barsche und kampfstarke Zander.“ Als echtem Stralsunder gehört Angeln zu seinen Leidenschaften – aber heute ist Kramer als „Bruder Martin“ unterwegs, der in seiner Kutte dem großen Reformator verblüffend ähnlich sieht.

Schon weithin sichtbar ragen die drei großen Backsteinkirchen über die Dächer der Altstadt. Allen voran die Marienkirche mit ihrem 104 Meter hohen Turm. Einst war sie das höchste Gebäude der Welt, schwärmt Bruder Martin. Wer fit genug ist, sollte unbedingt die 366 Stufen zum Turm erklimmen: Die Aussicht über die Stadt, Rügen und die Ostsee sei einmalig.

Im Anblick dieser Stadtsilhouette beginnt der Rundgang: War es doch schon vor 1.000 Jahren der Fischreichtum, der zuerst regen Handel und somit Wohlstand in die Stadt brachte, die dann während ihrer Zeit in der Hanse die Blütezeit erlebte. Im Mittelalter bestimmte der Seehandel die Geschicke der Kaufleute. Reich und stolz wie die Stadt, so auch ihre Bürger – was sich in den monumentalen Kirchen und aufwändig gestalteten Giebelhäusern ausdrückte. Und im geistigen und kulturellen Leben spielten die Klöster eine wichtige Rolle.

Schon ist Bruder Martin in seinem Element und steuert auf das ehemalige Franziskanerkloster St. Johannes zu. Auch wenn von der gotischen Hallenkirche nur noch Reste erhalten sind, wirkt die grünumwucherte Ruine höchst romantisch. Ebenfalls im 13. Jahrhundert gründeten die Dominikaner ihr Kloster in schönster Backsteinbaukunst. Heute ist St. Katharinen wohl das einzige Kloster, wo sich in tropischen Korallenriffen Meeresschildkröten, Bambushaie und Kugelfische tummeln. „Ein Meer hinter Klostermauern“, wirbt das Deutsche Meeresmuseum, das sein Domizil in der frühgotischen Klosterkirche hat.

Die Farbe Rot dominiert in der Stadt. „Was dem Wiener die Sachertorte, ist dem Stralsunder sein Backstein – beides sind echte Kunstwerke aus dem Ofen“, kalauert Bruder Martin. Im Gewirr der Altstadtgassen mit ihren restaurierten Giebelhäusern sind viele der markanten Backsteinbauten zu entdecken. Absolutes Schmuckstück Stralsunds ist der Alte Markt. Bunte Giebelhäuser umrahmen den Platz, Straßencafés locken zur Kaffeepause.

Warum also nicht ganz entspannt das großartige Ensemble von Rathaus und Nikolaikirche bei einem Cappuccino bewundern. Die Schaufassade des Rathauses gehört zu den schönsten Werken norddeutscher Backsteingotik.
Monika Zeller
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