Estland

Windmühlen und der Duft von frischem Brot

Die Küste von Saaremaa, der größten Insel Estlands.

Viel Natur und Kultur: Die beschauliche Inselwelt im Westen Estlands

Im Kulturerbezentrum von Angla gibt es Workshops für Brotbacken und traditionelles Handwerk. Fotos: cd

Es gibt Menschen, für die gleicht der Weg zur Arbeit einer Safari. Wenn Lehrerin Ene Kötts im Morgengrauen zur Schule fährt, begegnen ihr fast regelmäßig Wildschweine, Rothirsche und oft sogar Elche. Da ist Bremsbereitschaft angesagt, vor allem im Winter, wenn die Inselwelt zudem in Eis und Schnee erstarrt.

Hiiumaa, Muhu, Saaremaa sowie die Winzlinge Abruka, Ruhnu, Vilsandi und Vormsi: Mit der Frage, wo um alles in der Welt dieser Archipel zu finden sei, könnte Günther Jauch seine Kandidaten schön ins Schwitzen bringen. Knapp zehn Prozent Estlands bestehen aus Inseln. Rund 1.500 Eilande erheben sich vor dem Festland aus der Ostsee. Besonders dicht gesät sind die Inseln im Westteil des Landes.

Die Fähre ab Virtsu erreicht schon nach einer guten halben Stunde Fahrt das malerische Muhu. Skandinavisch-bunte Holzhäuser wachen am Hafen von Kuivastu. Im Hauptort Lliva wurde eine alte Feuerwache in ein Kunsthandwerkzentrum umgewandelt, wo man Frauen beim Weben zusehen kann und sich mit Spezialitäten wie bunten Strickwaren oder Konfitüren aus Waldbeeren eindecken kann.

Aber bitte nicht zu viel naschen, denn nur wenige Kilometer entfernt liegt das Herrenhaus Pädaste, wo man nicht nur gediegen absteigen, sondern fein speisen kann. Die Küche von Chef Peter Pihel mit regionalen Produkten gilt als die beste Gourmet-Adresse von ganz Estland.

Wer es deftiger mag, kann im Landgasthof Vanatoa Elchgulasch probieren oder eines der duftenden dunklen Brote frisch aus dem Ofen erstehen. Der Hof mit schönen günstigen Zimmern hat das ganze Jahr über geöffnet und ist vor allem bei Radtouristen sehr beliebt. Er liegt mitten im idyllischen Dorf Koguva mit Heimatmuseum, Hafen und einer Bootswerft.

Von Muhu geht es auf einem Damm bequem nach Saaremaa, der größten Insel Estlands mit einem riesigen Meteoritenkrater als größter Sehenswürdigkeit. Weite Teile der Insel sind mit Wäldern aus Föhren und Wacholder sowie Seen bedeckt. Im Sommer begeistern zahlreiche Orchideenarten wie Frauenschuh und das „schwertblättrige Waldvögelein“ die Botaniker. Steilküste und weiße Sandstrände wechseln sich auf der Insel ab.

Auch Saaremaa ist bei Radlern sehr beliebt, mit einer frischen Brise von vorn muss man aber zuweilen rechnen. Kein Wunder daher, dass sich auf diesem Eiland einst über einhundert Windmühlen drehten. Die schönsten lassen sich im Kulturerbezentrum von Angla besichtigen, wo auch Workshops in alten Handwerkstechniken und Brotbacken angeboten werden.

Im Süden von Saaremaa findet sich sogar ein richtiges Städtchen, das im Laufe seiner Geschichte zigmal die Herren und dreimal den Namen gewechselt hat: Der Ort hieß mal Arensburg, dann sowjetisch Kingissepa und heute Kuressaare. Pittoresk präsentieren sich die Gassen mit Holzhäusern, Kirchen und einer imposanten Schlossburg, die aufs Mittelalter zurückgeht und heute als Inselmuseum dient. Hinter dem Stadtstrand liegen Kurhotels für Thalasso-Therapie.

Wer es noch beschaulicher mag und Natur pur sucht, kann bei Ebbe zu dem neun Quadratkilometer großen Eiland Vilsandi waten, das seiner reichen Vogelwelt wegen zum Nationalpark deklariert wurde.
Claudia Diemar