Italien

Im Dornröschenschlaf

Ideal für Radfahrer sind die sanften Hügel im Westen der Insel.

Der Westen Siziliens ist touristisches Neuland. Hier kann man entspannt Fahrrad fahren, Olivenöl kosten und Marsala trinken

Schafe haben immer Vorfahrt.

Heute nur noch Deko: der Mühlstein auf dem Biohof Titone. Fotos: hb

Wenn der Garten Eden aus seinem kurzen, feuchten Winterschlaf erwacht, ist die Zeit reif für einen Besuch. Schon Anfang April sprießt frisches Grün an den Ästen von Mandel- und Zitronenbäumen. Ein gelber Blütenteppich ziert die Wiesen, die Reben schlagen aus. Man ist fast allein mit Siziliens Schönheit: In der Vorsaison ist die größte Insel des Mittelmeers eine andere als im August, wenn halb Italien hier in der Sonne brutzeln will. Catania, Messina und ‧Syrakus im Osten, Palermo im Norden: Der Trubel konzentriert sich dann auf Städte und Strände.

Der Westen Siziliens ist touristisch dagegen bislang eher unentdeckt – vor allem, wenn man sich ins Landesinnere aufmacht. Als erstes Fünf-Sterne-Hotel hat hier inmitten von Weinbergen und Olivenhainen vor zehn Jahren das Giardino di Costanza eröffnet. Einst wurde es von Kempinski betrieben, heute führen es die Blu Hotels als familienfreundliches Resort mit großem Spa. Wem es im Frühling und Herbst in Pool oder Mittelmeer zu kalt sein sollte, kann in Salzbad, Hamam und Sauna entspannen oder im Clarins-Spa Behandlungen buchen.

Oder man steigt aufs Rad, um ans Meer zu fahren. Autos sind kaum unterwegs, nur eine Schafherde kreuzt den Weg (und hat Vorfahrt). Dann geht es entlang der historischen Salzstraße bei Trapani, wo klapperige Windmühlen noch immer die Salinen bewachen. In der Hafenstadt Marsala wird der gleichnamige Likörwein produziert.

Um die Ecke liegt der Biobauernhof Titone. Der riesige Mühlstein ist zwar nur noch Dekoration, doch hier werden immer noch auf traditionelle Weise Oliven gepresst. Das frische Öl schmeckt herb und fast ein wenig scharf nach geschnittenem Gras, doch auch mildere Sorten sind im Angebot.

Dazu werden Spezialitäten der sizilianischen Küche gereicht: Arancini, kleine gefüllte Reisbällchen, sowie zweierlei Pasta mit Sardinen und Auberginen. Den Abschied versüßen Cannoli, mit Ricottacreme gefüllte Teigtäschchen. Dazu ein Espresso. Und auch noch etwas Süßes? Aus den Fängen einer charmanten sizilianischen Mamma kann man sich nur mit einer Extraportion germanischer Bestimmtheit wieder befreien.

Zum Glück schützt einen die Geographie Siziliens vor der eigenen Courage: Der mehr als 3.000 Meter hohe ‧Ätna liegt ganz im Osten der Insel, die für den Rückweg angesichts des Festmahls dringend nötige Bergwertung findet also nicht statt. Den einen oder anderen Hügel ‧erklimmt man aber doch – und kann die gerade hinzu‧gewonnen Pfunde somit fast wieder abstrampeln.
Helge Bendl
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