Polen

Krakau: Wo Schindlers Liste geschrieben wurde

Als wäre die Zeit stehen geblieben: Restaurant im jüdischen Viertel

Das Museum zur deutschen Besatzung ist beeindruckend

Auf dieser Schreibmaschine wurde die berühmte Liste getippt. Fotos: sw

Die meisten Besucher von Krakau haben Steven Spielbergs Film „Schindlers Liste“ gesehen. Die Fabrik des Oskar Schindler gab und gibt es wirklich. Restauriert und modernisiert liegt das schneeweiße Gebäude an der Lipowa Straße im Stadtteil Podgorze, gegenüber dem jüdischen Viertel Kazimierz am anderen Weichselufer. Vor fünf Jahren wurde in dem Fabrikgebäude ein Museum eröffnet – genauer: eine interaktive Multimedia-Ausstellung über die Besetzung Krakaus durch die Deutschen. Heute ist es aus dem Besuchsprogramm der ansonsten so zauberhaften, südländisch wirkenden Stadt Krakau nicht mehr wegzudenken.

Die vielen Fotos und Filme aus dieser Zeit, die Bilder der Erhängten und Gequälten, sind erschütternd. Die Filminterviews der Überlebenden singen das Hohelied auf Schindler, diesen Opportunisten und Parteigänger der Nazis, der aus welchen Gründen auch immer das Leid der Juden nicht mitansehen konnte.

Emailletöpfe retteten Leben
Obwohl mehrfach zum Verhör bestellt und der Judenfreundlichkeit verdächtigt, ließ der Unternehmer in seiner Emaillewarenfabrik nicht davon ab, „seine“ Juden zu schützen. Keiner von ihnen wurde im Unterlager des Konzentrationslagers Plaszow, das er auf dem Werks‧gelände einrichten durfte, gequält oder umgebracht. 
Auf dem Schwarzmarkt kaufte Schindler für sie sogar Lebensmittel. Geschickt ließ er die Fabrik als kriegswichtige Produktionsstätte einstufen, die SS-Wachleute des Lagers durften die Fabrik nicht betreten. Emailletöpfe, wie sie dort hergestellt wurden, sind heute noch zu sehen.

Schindler besaß noch eine Textilfabrik in Brünnlitz, wo es ein KZ-Außenlager gab. Als die Russen immer näher rückten und das KZ Plaszow und die Unterlager geräumt wurden, bedeutete das für viele Insassen den sicheren Tod. Wieder gelang Schindler etwas Unvorstellbares: Er erlangte die Erlaubnis, seine Fabrik mit der kriegswichtigen Produktion nach Brünnlitz zu verlegen – und seine Arbeiter mitzunehmen. Wer mitreisen durfte und somit gerettet wurde, stand auf Schindlers Liste. Sein Schreibtisch und die Schreibmaschine, auf der Schindlers Sekretärin die Liste tippte, sind ausgestellt.

Kazimierz ist das Kreuzberg von Krakau
Vor dem Krieg zählte Krakau 70.000 Juden, heute sind es keine 200 mehr. Sie wohnten damals meist in Kazimierz. Das jüdische Viertel zerfiel nach dem Krieg, Kriminalität und Prostitution machten sich breit. 

Erst der Film „Schindlers Liste“, der Anfang der 1990er Jahre zu weiten Teilen hier gedreht wurde, erweckte den Stadtteil aus seinem verrufenen Dornröschenschlaf. Häuser wurden saniert, Geschäfte, etwa eine jüdische Bücherei, zogen ein, Restaurants eröffneten. Historische Gebäude wie die über 400 Jahre alte Synagoge Remu’h, die heute noch in Betrieb ist, wurden restauriert. 

Heute zieht das Viertel Krakauer und Krakau-Besucher in Scharen an. Statement einer Fremdenführerin: „Kazimierz ist sozusagen das Kreuzberg von Krakau.“ 
Horst Schwartz