Kroatien

Split: Neues Leben im Palast

Der Hafen und im Hintergrund die Kathedrale. Von ihrem Glockenturm hat man den besten Blick über die Altstadt

In der Altstadt bleiben 2.000 Jahre Geschichte lebendig

In Split kann man nicht nur europäische Geschichte erleben, sondern auch entspannt bummeln. Fotos: mw

Mediterran herausgeputzt wirkt die breite Promenade am Hafen von Split mit ihren Terrassen-Cafés, Dattelpalmen und Fährschiffen zu den vorgelagerten Inseln. Doch Menschentrauben in Turnschuhen und Badelatschen drängen sich dahinter durch das enge Seetor einige Stufen hinab in die Niederungen europäischer Geschichte.

Dunkle Gewölbe tun sich auf, heute von Souvenirständen mit allerhand Häkeldeckchen, Postkarten und Plastikspielzeug erhellt. Es sind die alten Kellerräume des Diokletianpalastes, in der Spätantike vollgemüllt mit allerlei Gerümpel und ausgerechnet dadurch bis heute erhalten.

Wenn nach ein paar Dutzend Metern ein Ausgang unter dem Peristyl wieder ans Tageslicht führt, brechen sich an diesem hellen Punkt die Wendungen in Europas Geschichte wie Licht in einem Prisma.

Hier steht Suzanna Tabian und bringt die Farben zum Leuchten. Die 49-Jährige kennt diese Geschichte en detail, denn sie ist Teil von ihr. 1966 geboren, tobte die Kroatin als Kind durch die Gassen der Altstadt, erlebte deren Aufschwung als Touristenziel in den 80er Jahren und die Luftalarme im Bürgerkrieg der 90er. Sie war Reporterin für den letzten Radiosender, der die Spliter mit Informationen versorgte, bevor die Sendeanlage zerstört wurde. Danach jobbte sie in einem Reisebüro – „Wir verkauften alles, nur keine Reisen“. 

Inzwischen ist auch diese Zeit längst Geschichte. So beginnt Tabian ihre Erzählung viel früher, vor 1.700 Jahren, als der ganz in der Nähe geborene römische Emporkömmling, spätere Kaiser und Reformator Diokletian sich hier an der Küste Dalmatiens auf freiem Feld seinen Altersruhesitz anlegen ließ.

Eine gewaltige Anlage war das, 180 Meter lang und 215 Meter breit, umgeben von bis zu 18 Meter hohen Mauern. Ein Protzbau, der dem Kaiser nachträglich nur verziehen sei, weil er als Einziger der Antike nach 21 Jahren Regiment freiwillig die Macht abgab. Hier hinter dem Peristyl zog Diokletian sich zurück und genoss den Ruhestand. 

Heute zeigt sich ein Kaiser-Mime im Purpurmantel sommers wieder täglich dem gaffenden Touristenvolk. Vermögende können nebenan im Hotel Vestibül in sieben dezent möblierten Designer-Zimmern im kleinsten Luxushotel Europas einchecken. Das Haus wurde diskret in die Palastmauern integriert. 

In seiner Amtszeit hatte Diokletian umsichtig die Verwaltung und das Militär reformiert, die Inflation bekämpft und aus politischen Gründen die Christen verfolgt. Auch der hiesige Bischof Domnius musste dran glauben. Neben Diokletian, der sich im benachbarten Jupitertempel als Sohn des römischen Hauptgottes verewigen ließ, sollte es keinen Gott mit Allmachtsanspruch geben. 

Noch vor dem Tod des Kaisers musste man einsehen, dass der christliche Glaube stärker war. Und in Diokletians pompöses Grabmahl zog Jahrhunderte später ausgerechnet der Leichnam jenes Domnius ein, den Diokletian zum Märtyrer gemacht hatte. Ihm ist das achteckige Gebäude heute als Kathedrale geweiht und nur dadurch weitgehend erhalten. 

In Split gibt es ähnliche Widersprüche an jeder Ecke. Ein Friseur hat sich in einer frühchristlichen Kapelle angesiedelt. Vor dem Eisernen Tor trutzt ein romanischer Palast aus der Zeit, als sich Byzantiner, Venezianer und Kroaten um die Macht prügelten. In der Nähe stehen das elegante Renaissance-Rathaus und gleich daneben ein Jugendstil-Palais – alle werden bis heute genutzt.

Etliche Szenekneipen machen die alten Gemäuer nachts zum Ausgehviertel für Hipster aus aller Welt. Für einen Absacker empfiehlt sich vor den Toren der Stadt das „Art-Café Genscher“. Der deutsche Außenminister erkannte 1991 frühzeitig Kroatiens Unabhängigkeit an und ebnete damit den Weg in die Zukunft.

Martin Wein
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