Griechenland

Astypalea: Wo die Uhren anders gehen

Zu Besuch auf der einem Inselchen der Südlichen Sporaden

Mit einem Veitstanz hält der alte Mann am Straßenrand bei Marmari ein Motorrad auf. Er reicht einen duftenden Oreganozweig und sagt kurz: „Analipsi!“ Wohin sollte der Fremde sonst fahren? Dort endet schließlich die Teerstraße. Und warum laufen, wenn der Fremde sowieso dorthin fährt, wo er wohnt?

Er nestelt einen stumpfen Bleistift heraus, schreibt seine Adresse auf und sagt: „Kart-posstal!“ In Analipsi steigt der alte Mann ab und bestätigt noch einmal: „Kart-posstal jia Costas!“ Ein kräftiger Händedruck, ein freundlicher Blick ins unrasierte Gesicht, ein Versprechen: Costas bekommt seine Postkarte aus Deutschland.

Fische, Hasen und Zitrusfrüchte
Auf der Insel Astypalea gehen die Uhren anders: ohne Massentourismus, ohne Flüchtlingsproblematik, ohne halbfertige Häuser – wie sonst so häufig zu sehen in Griechenland, weil die Banken den Leuten keine Kredite mehr geben. „Wir haben unsere Fische, Hasen, Korn, Trauben und Zitrusfrüchte. Am Festland ist das anders. Dort ist jeder Dritte arbeitslos“, sagt Michalis, Besitzer der drei wunderschönen Melograno Villas.

Am Ortsrand von Chora mit Blick auf die pittoresken Windmühlen, sind sie im kykladischen Stil an den Hang gebaut: zwei Stockwerke hoch, mit Jacuzzi auf der Terrasse, geschmackvoll eingerichtet und dekoriert, mit voll ausgestatteter Küche, Kamin und Cocomat-Matratzen für den Schlaf wie ein Baby. Außerdem steht ein kleines Motorrad für Ausflüge und Strandtage zur Verfügung.

Die Insel der Südlichen Sporaden, auf die gerade mal 7.000 Touristen pro Jahr reisen, liegt 44 Kilometer nordöstlich von Kos entfernt und hat etwas vom Postkarten-Griechenland: Männer palavern im Kafenion, Kinder spielen Fangen um die Windmühlen, Frauen hängen Wäsche auf. Alles ist wohltuend verschlafen und die wenigen Touristen genießen das Ganze auf den Korbstühlen in einer der drei Tavernen auf der Platia unterhalb der Festung. Diese thront über Chora, allerdings stehen nur noch die Außenmauern.

Nur 50 Kilometer Straße
Oder die Urlauber sind unterwegs zu dem einen oder anderen der insgesamt zwei Dutzend Strände. Die sind ebenfalls typisch griechisch: grausandig und kieselig, aber man ist allein. Denn wenn ein Strand schon von einem Pärchen bevölkert ist, fährt man einfach weiter zum nächsten. In der Badetasche sollte dann ein Picknick und Wasser keinesfalls fehlen, denn Infrastruktur sucht man an fast allen Stränden vergeblich. Astypalea verfügt gerade einmal über 50 Kilometer geteerte Straße. Der Rest, und dazu gehören auch alle Abzweiger zu den Buchten, ist Piste.

Bei Wanderern ist Asphalt sowieso verpönt. Die steigen über Stock und Stein hinauf zum Badehaus von Talara mit seinen blauen Fliesen und Mosaiken, die um die 2.000 Jahre alt sind. Oder sie besuchen die Stalaktiten und Stalagmiten von Negrou: In der Tropfsteinhöhle ‧sollen bis heute Schätze von Piraten vergraben sein. Kletterer machen sich auf nach Ftera, wo zwei Klettergebiete mit 20 Routen unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade auf Besucher warten.
Jochen Müssig
Anzeige