Spanien

425.624 Urlauber und keiner mehr

Auf Mallorca regen sich gegen den Besucheransturm Proteste

Praktisch von einem Tag auf den anderen ist der Begriff auf Mallorca in aller Munde: Turismofobia, wörtlich Touristenphobie – wobei die bessere Übersetzung Urlauberüberdruss wäre. Dafür gesorgt haben Anhänger der links-separatistischen Splittergruppen Arran und Endavant. Sie bewarfen Anfang August erschrockene Urlauber in einem Restaurant in Palma mit Konfetti, brannten Bengalfackeln vor dem Yachthafen ab und klebten Sticker mit touristenfeindlichen Sprüchen auf Mietwagen. 

Das Kalkül geht auf: Die in den sozialen Netzwerken verbreiteten Aktionen haben die volle Aufmerksamkeit der lokalen und internationalen Medien, sie spitzen die schwelende Debatte über die Grenzen des Massentourismus zu und sie bringen das auf den Balearen regierende Linksbündnis in Zugzwang.

Dabei geht es um die Folgen für die natürlichen Ressourcen wie das Wasser, das im vergangenen Jahr knapp wurde, um den Ansturm auf das Tramuntana-Gebirge und die Naturstrände, um die angeblich vor allem von Mietwagen verstopften Straßen, um die Flut von Kreuzfahrttouristen, die sich über Palma ergießt. Oder um die Auswirkungen auf den Mietmarkt, wenn Wohnungseigentümer lieber über Airbnb lukrativ an Urlauber vermieten. Dass zudem Partyurlauber mit Schlägereien und Alkoholexzessen Schlagzeilen machen, so dass Palmas Bürgermeister Antoni Noguera vor Kurzem Problemtouristen als „Abschaum“ bezeichnete, ist in der Debatte auch nicht hilfreich.

Die Zahl der Urlauber ist weiter angeschwollen, bekanntlich vor allem im Zuge der Krise in den Konkurrenzdestinationen. 2016 zählten die Balearen 13 Millionen ausländische Besucher, knapp zwölf Prozent mehr als im Vorjahr. Das Plus im ersten Halbjahr 2017 beläuft sich auf weitere 8,5 Prozent. Palmas Flughafen vermeldet weiter neue Rekorde, und am Kreisel vor dem kleinen Ort Sant Jordi, wo die Landebahn beginnt, lassen sich meist ohne Probleme drei Flugzeuge gleichzeitig im Anflug ausmachen.

Die Frage, wie mit dem Ansturm umzugehen ist, wird sehr unterschiedlich beantwortet. Das linke, ökologische Lager fordert ein Limit für Touristen und Mietwagen sowie Verbote von Ferienwohnungen und neuen Hotels. Das konservative, hotelierfreundliche Lager verweist darauf, dass die Urlauber nur „geliehen“ seien – sobald es der Konkurrenz wieder besser gehe, könnten die Besucher wieder schmerzlich vermisst werden. Spaniens Premier Mariano Rajoy warnte kürzlich auf Malloca davor, den Tourismus „mit Füßen zu treten“, er sorge spanienweit für 13 Prozent der Arbeitsplätze.

Und die Linksregierung auf Mallorca? Sie wird von der Entwicklung überrannt. Eine Limitierung der Mietwagenzahl gilt als nicht machbar, stattdessen werden Shuttle-Bus-Konzepte für überlaufene Ausflugsziele gestartet.

Die Tourismuswerbung konzentriert sich inzwischen unter dem Motto „Better in Winter“ ganz auf die Nebensaison. Neben der Diskussion über eine Erhöhung der 2016 eingeführten und bislang dezenten Touristensteuer soll vor allem die Neuordnung der Ferienvermietung und eine Deckelung der Gästebettenzahl helfen. Wurden in der Vergangenheit des Öfteren zusätzliche Plätze genehmigt, ist die Zahl mit dem Anfang August geänderten Tourismusgesetz mallorcaweit auf genau 425.624 festgelegt. Davon entfallen gut 300.000 auf Hotels und 93.000 auf inzwischen 15.000 genehmigte Ferienhäuser.

Ferien-Apartments dagegen – also Wohnungen in Mehrfamilienhäusern – waren niemals offiziell zugelassen und sollen mit dem neuen Regelwerk jetzt erstmals systematisch kontrolliert und mit drakonischen Strafen für die Vermieter wie auch Vermittlungsportale sanktioniert werden. Die Angst geht um, die ersten Apartments kehren auf den Markt der Langzeitmiete zurück.

Langfristig sollen zudem 120.000 Plätze aus der Bettenbank herausfallen, wenn Lizenzen auslaufen. Doch bis dahin dürften noch einige Aktionen die Turismofobia weiter befeuern.

Frank Feldmeier
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