Portugal

Costa Verde: Dem Wind entgegen

Angeln im Ozean als Abend-Entspannung: auf der Mole von Esposende bei Ofir

Die preiswerten Traumstrände in Portugals Norden

Typische Strandzelte: Apulia an der Costa Verde: Fotos: hs

Schön sind sie doch in Ofir. Sie reiten auf den Wellen. Sie kommen, um gesehen zu werden. Und um zu sehen: die Jungs auf den Brettern, die Mädchen in ihren Tangas. Sie kommen, um zu flirten, in der Sonne zu garen, braun zu bleiben. Trotzdem gibt es in dem Ort an der nordportugiesischen Costa Verde weder Klunker-Juweliere, Boutiquen noch Edel-Parfümerien, nicht einmal eine Ladenzeile.

Es gibt Villen unter Pinien, schmiedeeiserne Tore an den Zufahrten, dazu ein großes Hotel in Gelb und viel Platz im Sand – selbst während der Saison. Ofir ist Wohnen, Sonnen, Wellenreiten. Die Dünen formen einen weit geschwungenen Halbkreis, sind bis zu 25 Meter hoch, gewölbt wie die Steilkurve einer anspruchsvollen Radrennarena – und zerrieseln zwischen den Fingern zu Pulver.

Günstiger als die Algarve

Die Tasse Kaffee ist teuer auf der Terrasse des Strandcafés mit Meerblick – 25 Prozent mehr als anderswo kostet sie hier: 1,40 Euro – Ofir-Aufschlag eingeschlossen. Warum ist denn der Norden Portugals so günstig? Warum kosten zwei gegrillte Makrelen im Restaurant „O Garfo“ im Küstenort Viana do Castelo mit Beilagen 8,50 Euro? Weil der internationale Tourismus die Costa Verde zwischen Porto und der spanischen Grenze noch nicht wahrgenommen hat – und weil es anders als an der Algarve keine Sonnengarantie gibt. Vor allem Portugiesen kommen hierher, einige Spanier, Franzosen, vergleichsweise wenige Deutsche.

Wellenreiter am Ende Europas

Segel für die Bretter braucht in Ofir keiner. Nicht den Wind wollen sie spüren, sondern die Wellen. Und die möglichst unmittelbar. In Neopren reiten sie die Atlantik-Brecher aus und spielen von März bis Oktober Hawaii, wo Europa endet: Die ersten, die morgens an die Strände kommen, sind die Wellenreiter. Andere schauen später vorbei, wenn die Sonne höher steht. Sie interessieren sich nicht für den Morgenwind – nicht, wenn sie die Nacht zuvor durchgefeiert haben.

Auf den Rängen versammeln sich die Zuschauer. Am Vormittag werden es immer mehr: Auf den Dünenkämmen hocken sie. Kite-Surfer rauschen im Schlepp ihrer Drachensegel übers Meer. Die beste Aussicht haben die Pinien. Sie halten den Sand fest, fixieren die Dünen und haben gelernt, dem Wind zu trotzen. Ein Knick des Stammes nach Osten ist ihr Zugeständnis an die Stürme, die vor allem im Winter vom Meer heranpfeifen.

Mitten im Geschehen hockt an diesem Vormittag ein alter Mann beim Angeln auf den Felsen, an seinen Rücken schmiegt sich eine alte Frau. Ihre Augen sind geschlossen, die Mundwinkel lächeln. Jung zu sein, ist verbreitet, aber nicht Pflicht in Ofir. Schön zu sein, ist gern gesehen – aber kein Muss. Und der ungekrönte König des Strandes ist, wer bis abends bleibt, ein paar Lieder singen oder aber Gitarre spielen kann.
Costa Verde – die „grüne Küste“: Grün ist sie, weil der Regen nicht ausgesperrt ist und weil es ehrlicher ist, das zuzugeben – am besten schon im Namen. Grün ist es hier wirklich. Verlässlicher Alleinherrscher am Himmel ist die Sonne nur während der Sommermonate. Dann hat sie sich mit dem Wind verbündet, der die Wolken woandershin pustet.

Helge Sobik
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