Spanien

Costa Blanca: Appetitliche Schönheit

Die Kleinstadt Denia ist auch unabhängig von ihrem berühmten Meeresbewohner eine Reise wert

In der Kleinstadt Denia ist eine ganz besondere Delikatesse der Liebling von Einheimischen und Urlaubern

Sehr rot, sehr lecker: die Rote Gamba

Sehr rot, sehr lecker: die Rote Gamba. Fotos: LUNAMARINA/iStockphoto, hs

Als er jung war, hatte er einen Fehler gemacht und sich das falsche Tier auf den rechten Unterarm tätowieren lassen. Einen großen Oktopus. Und drumherum ein paar Sterne. Eines, das er schon immer gerne gegessen hat, seit seinen Lehrjahren als junger Koch in zahllosen Varianten großartig zubereiten kann: „Auf der Schulter ist ja noch Platz“, sagt José Manuel Lopez.

Für seine aktuelle Liebe. Ebenfalls aus dem Meer, eine Delikatesse zudem, eine Rarität obendrein: für die „Gamba Roja de Denia“, eine Rotgarnele, die von nur fünf Fischerbooten in einem Tiefseegraben auf ungefähr halbem Weg zwischen der Küstenstadt Denia an der Costa Blanca und der Balearen-Insel Ibiza gefangen wird. Mit extrem langen Netzen holen sie sie aus 700 bis 1.000 Metern Tiefe.

Nicht nur, dass sie großartig schmeckt – nach Meer, nach jener Tiefe. Nicht nur, dass sie das ganze Aroma eines Krustentiers hat und am besten ganz ohne Gewürze zubereitet wird, um diesen vollen Geschmack zu entfalten. Vor allem aber ist sie bereits sattrot, ohne dass sie gekocht werden muss, nicht unangenehm glasig oder schwarz wie viele andere Garnelenarten. Sie ist auf Anhieb die appetitlichste Schönheit ihrer Art.

Woran das liegt? Juan Garcia weiß es genau: „Sie frisst ganz spezielle Algen, die nur in ihrem Lebensraum vorkommen. Dadurch nimmt sie diese intensive Farbe an.“ Der Mann hat sich ein Leben lang mit der Gamba Roja beschäftigt und ist so etwas wie ihr natürlicher Feind – als Fischer aus Denia.

67 Jahre ist er jetzt, 52 Jahre hat er auf dem Meer zugebracht, sein Sohn Samuel wird den Betrieb fortführen: „Wir fahren morgens um fünf raus, sind am Nachmittag zurück – außer die See ist zu rau.“

An manchen Tagen bringt er mit seiner „Franjumar“ mit drei Mann Besatzung zwanzig Kisten mit nach Hause, an anderen nur vier. „Es hängt an der Jahreszeit, am Wetter. Daran, wie die See am Tag zuvor beschaffen war. Genau weißt du es nie. Deswegen kannst du als Fischer vorher keine Mengengarantien abgeben.“

Seine Ausbeute wird wie die der anderen jeden Nachmittag in der Auktionshalle am Hafen von Denia versteigert. Die Bieter hocken dann auf den Rängen, Zuschauer – viele Urlauber darunter – verfolgen das Geschehen von einer Galerie aus.

Regelmäßig geht José Manuel Lopez selbst zur Auktion, verschwindet vorher hinter den Kulissen und kann die Gambas aus der Nähe prüfen. Da geht es um die Farbe, die Festigkeit, die Größe. Bekommt er nun „seine“ gewünschte Kiste, strahlt der stille, große Mann mit dem Drei-Tage-Bart plötzlich, als hätte ihm irgendwer unverhofft sein allererstes Auto geschenkt.

Und so schwärmt er von dem, was er auf Spanisch „producto de kilometro cero“ nennt – von einer Delikatesse, die von vor der Haustür kommt und nicht um die halbe Welt geflogen ist, ehe sie auf dem Teller landet.

„Die Gamba Roja reist nicht gerne“, stimmt ihm der Drei-Sterne-Koch Quique Dacosta zu, dessen Restaurant in Denia unter den Top 100 der besten Restaurants weltweit zu finden ist.

Die 42.000-Einwohner-Stadt Denia profitiert davon und profiliert sich seit einigen Jahren über Vielfalt und Qualität ihrer Gastronomie. Mehr als 300 Restaurants gibt es hier – sehr viel für eine Stadt dieser Größe. Die Unesco hat die Stadt gar in den illustren Kreis der „Creative Cities of Gastronomy“ aufgenommen, deren lokale Kultur und Geschichte sich auf besondere Weise in ihrer Küche spiegelt. Die Gamba Roja hat ihren Teil dazu beigetragen.

Helge Sobik