Italien

Gardasee: Das Lago-Feeling

Wenn man einmal an San Vigilio vorbeigeschippert ist – wer möchte da nicht wiederkommen?

Die Liebe zum See vererbt sich seit Generationen

Malcesine gehört zu den beliebtesten Zielen am Gardasee. Fotos: jm

Wir fahren ja schon seit zehn Jahren an den See ...“ – auch das begleitende Hochziehen der Augenbrauen hilft da wenig: Wer mit gerade mal zehn Jahren Gardasee-Erfahrung angeben will, kann gleich sagen, er sei das erste Mal am Lago. Den Lacus Benacus haben schon die römischen Dichter Catull und Vergil besungen. Und manchmal meint man, die Hälfte aller Gardasee-Urlauber von heute kannten Catull und Vergil persönlich. 

Sicher ist: Der Gardasee ist ein Urlaubsziel für alle Generationen. Papa und Mama der 1960er Jahre sind inzwischen Opa und Oma. Die Tochter war schon im Bauch ihrer Mutter am See und nach der Geburt die folgenden 34 Jahre, ehe sie – selbst schwanger – den Lago-Kreislauf weiter ankurbelt: Auch Klein-Lisa wird den See lieben lernen. Erst als Tollpatsch am Strand, dann als Teenager und schließlich wie Oma und Mama als Mutter ... 

Aus der „Casa Bottura“, nicht klassifiziert, für 20 Mark die Nacht, ist ein hübsches Vier-Sterne-Hotel mit Pool geworden. Und die armen Botturas von damals sind nicht nur selbst alt, sondern – wie so viele am See – auch reich geworden.

Laue Abende bis Mitternacht

Liegt die Liebe zum See in den Genen? An schönsten Kindheitserinnerungen? Oder einfach an den tollen Burgen von Malcesine und Sirmione, an den süßen Häfen von Lazise und Gargnano, den Olivenhainen und Zypressen, der Pizza aus dem Holzofen und den lauen Abenden bis nach Mitternacht? Die Mischung macht’s. Sie macht süchtig. Gardasee-süchtig. 

Über dieses Lago-Feeling, das sich bei jedem anders äußert, schrieb Heinrich Laube, ein in Vergessenheit geratener deutscher Dichter, in seinen Reisenovellen von 1834: „Der See ist kein Masculinum, sondern ein Femininum. Er ist die erste italische Jungfrau, welche dem blöden, blonden Germanen, der von den Alpen heruntersteigt, mit dunklem südlichen Blicke in’s Herz hineinsieht.“ Der Kollege Heinrich Mann kam später 20 Mal und war schon damals das, was man heutzutage neudeutsch einen Repeater nennt. 

Auch lange Zeit nach ihm war der See bewohnt von Fischern, Oliven- und Bergbauern. In den 1950er Jahren hielt der Camping-, in den 1960er Jahren der Albergo-Tourismus Einzug. Mit der Mistgabel verscheuchte man zunächst die Kühe, um Platz für Zelte zu machen. Und etwas später wurde das Kinderzimmer im Sommer vermietet, um den Besuchern, die schon damals wiederkamen, ein Bett anbieten zu können. Erst nach und nach entstanden die ersten privaten Hotels mit ein paar Zimmern. Jetzt beherrschen Drei- und Vier-Sterne-Häuser den See – ohne Snobs und George-Clooney-Feeling wie am Comer See. 

Fünf Millionen Gäste

Natürlich gibt es auch praktische Antworten auf die Frage, warum der Lago von den meisten immer wieder besucht wird. Etwa die Freizeitparks um den Pionier Gardaland bei Peschiera, der Sporttourismus, ob die Leute nun auf dem Wasser oder am Berg aktiv sind, die Riesenauswahl an Campingplätzen. In Zahlen ausgedrückt, liest sich diese Gardasee-Sehnsucht im 21. Jahrhundert kurz und bündig: Geschätzte fünf Millionen Gäste, davon knapp zwei Drittel aus Deutschland, lassen pro Jahr an die drei Milliarden Euro am See. Das Lago-Feeling ist also Gold wert.

Jochen Müssig
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