Lettland

Raus aus Riga

Moorschuhe an und los geht’s durch den Nationalpark Kemeri

Moorschuhe an und los geht’s durch den Nationalpark Kemeri. Foto: sl

Lettland: Von der wunderschönen Hauptstadt Riga aus ist man in kürzester Zeit mitten in der Natur – oder im Sowjetbunker

Touren durch den Sowjetbunker in Ligatne beschwören alte Zeiten herauf

Touren durch den Sowjetbunker in Ligatne beschwören alte Zeiten herauf. Foto: sl

Die lettische Hauptstadt Riga gehört zu den schönsten Städten des Nordens. Und doch kommt man bei einem längeren Aufenthalt sicher irgendwann auf die Idee, auch das Umland etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Hier zwei Tipps – über und unter Tage.

Moorwandern in Kemeri

Man fragt sich, wie es wohl sein würde. Würde man sang- und klanglos untergehen? Oder langsam und von schmatzenden Geräuschen begleitet Zentimeter für Zentimeter verschluckt werden, um Jahrhunderte später als gut konservierte Moorleiche wieder aufzutauchen?

Als wir dann tatsächlich vor dem Moor stehen, sieht es ganz anders aus als gedacht. Uns erwartet keine dickflüssige, braune Brühe, sondern eine ziemlich nass geratene Heidelandschaft mit vielen Tümpeln, in denen sich fröhlich die Sonne spiegelt. 

Dieses ganz besondere Fleckchen Natur befindet sich im lettischen Nationalpark Kemeri, nur eine knappe Stunde mit dem Bus von Riga entfernt.Alleine sollte man besser nicht durch die Sumpflandschaft laufen, denn zwischen den ganzen Pfützen, Wassersträßchen und auch recht großen Seen kann man schnell mal verloren gehen.Wir vertrauen uns der Geografin Ieva Kalka an, die seit zwei Jahren Wandergruppen durchs Moor führt. Wie oft bei ihren Touren denn durchschnittlich jemand ins Moor fällt? „Ich hatte bisher noch keine Gruppe, bei der niemand reingefallen ist“, sagt Kalka und man weiß nicht so recht, ob das ein Scherz sein soll.

Damit uns das nicht passiert, schnallen wir Moorschuhe aus Plastik an unsere Wanderstiefel und stapfen breitbeinig los. Kalka zupft immer mal wieder hier ein kleines Blättchen, da ein Kraut und dort einen dünnen Ast ab und erklärt, womit man einen Tee kochen, Übelkeit lindern oder einen nicht unerheblichen Rausch produzieren kann.

Die Tierwelt hält sich an diesem Tag übrigens fern von diesem Menschengrüppchen mit den großen Plastikfüßen. Außer ein paar Kranichen sieht es in Sachen Tierbeobachtung recht mau aus. Wer etwas leiser unterwegs ist, hat recht gute Chancen, in den angrenzenden Wäldern Elche oder den einen oder anderen Bären zu sehen. Immerhin schaffen es alle wieder trockenen Fußes zurück zum Bus.

Bunker in Ligatne

Ein weiteres Ausflugsziel von Riga aus ist der ehemalige Sowjetbunker in Ligatne. Er wurde in den 1980er-Jahren neun Meter tief in die Erde gebuddelt, um die Sowjet-Elite im Falle eines Atomkriegs in Sicherheit zu bringen. „Nach heutigen Erkenntnissen hätte das nicht besonders gut geklappt, denn das ganze Ding war trotz zahlreicher Luftfilter und tonnenweise Beton ziemlich undicht“, sagt der Historiker Oskars Okonovs, der uns durch die gruseligen Gänge führt.Okonovs selbst gibt sich in seiner Rolle als „Sowjet-Führer“ bewusst undurchsichtig. Mal singt er, mal schreit er, mal säuselt er rum. Und nie weiß man, womit er seine Gruppe als nächstes zu Tode erschreckt.

Nach spätestens einer Stunde will man nur noch raus – weg von diesem seltsamen Typen und weg von diesem beklemmenden Monster-Bauwerk aus dem Kalten Krieg mit all seinen Telefonen, Lenin-Büsten, Propagandaplakaten und Plastiknelken in hässlichen Blumenvasen. „So war das damals“, sagt Okonovs, der in Wirklichkeit natürlich sehr nett ist. „Keiner sollte wissen, woran er ist, die Sowjets haben mit der Angst der Menschen gespielt.“

Warum er diese Führungen anbietet? „Geschichte wiederholt sich leider immer wieder“, sagt er. „ Das sollten wir gerade in der jetzigen Situation auf keinen Fall vergessen.“

Info

Moorwanderungen und zahlreiche weitere abwechslungsreiche Touren im Baltikum sind unter anderem bei Gebeco buchbar.

Susanne Layh