Die belgische Stadt überrascht mit viel Geschichte, Geheimtipps und neuen Touristenattraktionen
Als Reiseziel lässt sich Antwerpen nicht lange bitten, schon am Bahnhof gibt die flämische Metropole alles: üppige Verzierungen, riesige Glasdächer und jede Menge Prunk. „Eisenbahn-Kathedrale“ nennen die Antwerpener ihren Bahnhof, der 1905 nach dem Vorbild des römischen Pantheons gebaut wurde, und liegen damit ganz richtig. Standesgemäßer kann man nicht ankommen als in diesen grandiosen Hallen.
Ein bisschen Show ist natürlich auch dabei, immerhin zählt Antwerpen seit vielen Jahrhunderten zu den reichen Handelsstädten Europas – logisch, dass auch Architektur und Künste davon profitierten. Maler wie Peter Paul Rubens und Antonis van Dyck schufen in Antwerpen Werke, die bis heute sogar Banausen beeindrucken.
Bestaunen kann man sie in der Onze-Lieve-Vrouwekathedraal, im Rubenshaus und ab 2022 auch im multimedialen Rubens Experience Center. Weniger kulturell Ambitionierte suchen sich einfach einen lauschigen Platz in einem der Restaurants am Grote Markt mitten in den Gassen der Altstadt und lassen feinste belgische Küche und Bier auffahren.
Welthandelszentrum der Edelsteine
Traditionell ist Antwerpen außerdem die Stadt mit dem „Bling“-Faktor: Drei Viertel aller ungeschliffenen Diamanten der Welt werden hier gehandelt – direkt am Bahnhof übrigens, im Viertel Diamantwijk. Traditionell sind vor allem orthodoxe jüdische Händler im Diamantengeschäft tätig, längst haben aber auch indische Händler aufgeholt. Kein Wunder, dass der größte Jain-Tempel außerhalb Indiens in einem Antwerpener Vorort liegt.
Koschere und vegane Restaurants, Juweliere und Schleifereien bestimmen das Straßenbild am Bahnhof, aber auch Bodyguards und mit Maschinengewehr bewaffnete Polizisten, die jeden Passanten argwöhnisch beäugen. Aus gutem Grund: Hier werden jedes Jahr rund 45 Milliarden Euro umgesetzt, das weckt Begehrlichkeiten.
Kunst und Edelsteine sind jedoch nur zwei Gesichter der Stadt: Antwerpen besitzt zudem den zweitgrößten Hafen Europas. Wer klassische Seemannsatmosphäre spüren (und hören) will, muss ins Café Beveren. In der kleinen Kneipe am Schelde-Ufer ist die Zeit stehengeblieben: Holztische und Linoleumboden, gepolsterte Bänke wie in den 1950ern – und eine die gesamte Wand ausfüllende automatische Decap-Musikorgel von 1932.
Süße Verführung an jeder Ecke
Dass hier ab und zu Touristen hereinschneien und einen Blick auf das kuriose Musikinstrument werfen, das kennen die Stammgäste schon. Schnell huscht einer von ihnen herbei, wirft zwei Euro ein und erweckt das historische Ungetüm zum Leben. Man muss sagen: Die Decap sieht besser aus, als sie klingt. Aber die Orgel erinnert an die Zeiten, als die Promenade noch voller Seeleute war und das Scheldeufer eine dubiose Gegend.
Die Seeleute sind längst weitergezogen in den Norden der Stadt, der alte Hafen ist mittlerweile ziemlich hip und voller Yuppie-Projekte. Nur die Party-Atmosphäre im Beveren ist geblieben.
Neues gibt es aber auch: etwa das „Diva Diamantenerlebniszentrum“ wenige Schritte vom Grote Markt entfernt, das die kostbaren Steine auf 550 Quadratmetern erklärt. Oder die „Chocolate Nation“ am Bahnhof. Der Name ist Programm und die Tour durch die Welt des Kakaos ein wahrhaft beeindruckendes mediales Machwerk.
Derart inspiriert, muss ein Besuch bei einem der vielen Chocolatiers auf dem Programm stehen – nicht zuletzt, um auch wieder standesgemäß abzureisen: mit einer großen Kiste Pralinen im Gepäck.