Irland

Der Schicksalshafen

Der Hafen von Cobh: Hier war die Titanic 1912 zum letzten Mal vom Land aus zu sehen

Der Hafen von Cobh: Hier war die Titanic 1912 zum letzten Mal vom Land aus zu sehen

Irland: Der kleine Ort Cobh im Südwesten der grünen Insel und sein Schattendasein in einer der größten Tragödien der Passagierschifffahrt

Der „Heartbreak Pier“: Über diesen Steg haben insgesamt rund anderthalb Millionen irische Emigranten ihre Heimat verlassen

Der „Heartbreak Pier“: Über diesen Steg haben insgesamt rund anderthalb Millionen irische Emigranten ihre Heimat verlassen

Im Titanic-Museum erhalten Besucher die Schiffstickets von echten Passagieren als Eintrittskarte – und können herausfinden, was beim Untergang 1912 mit der Person passiert ist

Im Titanic-Museum erhalten Besucher die Schiffstickets von echten Passagieren als Eintrittskarte – und können herausfinden, was beim Untergang 1912 mit der Person passiert ist. Fotos: fx, ska

Was wurde eigentlich aus Patrick O’Keeffe? 1890 ist er im irischen Waterford zur Welt gekommen und als junger Mann nach New York emigriert. 1912 kehrte er in sein Heimatland zurück, um die Osterfeiertage bei seinen Verwandten zu verbringen. Ein paar Tage wollte er bleiben. Er blieb noch etwas länger, dazu hatte sein Bruder ihn überredet. Und so trat er die Rückreise Richtung USA nicht wie geplant an Bord der RMS Baltic an, sondern als Passagier eines ganz neuen Schiffs derselben Reederei, der White Star Line.

Wer nach Irland und der Titanic fragt, bekommt erst mal Belfast zur Antwort. Dort, in der Werft Harland & Wolff, wurde vor jetzt 111 Jahren das damals größte Schiff der Welt vom Stapel gelassen. Ein 270 Meter langer Luxusdampfer, der am 11. April mit 1.300 Passagieren an Bord auf seine erste und letzte Reise aufbrach. Die meisten von ihnen hatten ein One-way-Ticket in der Tasche. Ihr Ziel: die Neue Welt.

Letzter Halt: Cobh

Bevor es auf den Weg über den Atlantik ging, machte die Titanic in drei Häfen Halt: Nach Southampton und Cherbourg warf sie schließlich zum letzten Mal ihren Anker vor der kleinen Küstenstadt Cobh, die vor der Unabhängigkeit der Republik Irland seinerzeit noch Queenstown hieß. Das damalige Büro und Tickethäuschen der White Star Line steht dort noch heute am Pier. Eine Gedenktafel in der Nähe versichert: „She was alright when she left here“. Sieben Passagiere haben das Schiff in Cobh verlassen.

Zugestiegen sind hier 123, unter ihnen Patrick O’Keeffe. 44 von ihnen haben überlebt. Im ehemaligen Reederei-Gebäude dort am Anleger ist inzwischen das Museum „Titanic Experience Cobh“ untergebracht – ein Archiv gewissermaßen, das die 123 Schicksale der Cobh-Passagiere verwahrt.

Mythos wird erlebbar

Als Eintrittskarte bekommen die Besucher die Replik eines Titanic-Tickets, ausgestellt auf einen echten Reisenden aus dem April 1912. Unzählige Familienfotos, Postkarten, Taschenuhren und allerlei weitere persönliche Gegenstände der Schiffbrüchigen machen den Mythos ungemein greifbar. Nachbauten von Kabinen, Schlaf- und Gemeinschaftsräumen sind auch Teil der Ausstellung.

Am Ende einer zirka halbstündigen Führung durch einen der Museumsmitarbeiter, die allesamt sehr kundige, im nettesten Sinne, Titanic-Nerds sind, erfährt man dann, was aus der Person geworden ist, die man „gezogen“ hat.

Da ist zum Beispiel Millvina Dean, die im Alter von nur knapp neun Wochen als wohl jüngste Passagierin mit ihren Eltern und ihrem ein Jahr älteren Bruder Bertram an Bord ging. Sie ist mit ihrem jungen Leben im Eismeer davongekommen und war, als sie 2009 bald hundertjährig starb, die letzte Überlebende der Titanic. Der Vater sank mit dem Schiff, Bruder und Mutter konnten damals gerettet werden.

Viele aufregende, glückliche und traurige Geschichten kann man in dem Museum entdecken. Cobh selbst hingegen ist ein ganz unaufgeregter Ort: Eine bunte Häuserzeile ziert das Hafenbecken, darüber thront die Kathedrale St. Colman’s Church.

Eine Bahn, die von Cork aus eine knappe halbe Stunde immer entlang der beschaulichen Küste fährt, bringt Tagesausflügler für kleines Geld im Stundentakt nach Cobh.

Sehenswert außerdem: die kleine Insel Spike Island. „Irlands Antwort auf Alcatraz“ war im Laufe der Jahrhunderte ein Kloster, eine Festung und ein Gefängnis.

Nie mehr auf ein Schiff

Und Patrick O’Keeffe? Er konnte gerettet werden. Zurück in New York hat er eine Woche im Krankenhaus verbracht, bevor er wieder zur Arbeit ging. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs entschied sich Pat, der immer noch britischer Staatsbürger war, seinen Militärdienst in Kanada abzuleisten, anstatt in die US-Armee eingezogen zu werden und zu riskieren, erneut aufs Meer zu müssen. Sein Heimatland hat er bis zu seinem Tod 1939 nie wieder besucht.

Felix Hormel