Portugal: Von Aveiro aus die Westküste entdecken
Bunte Boote, süße Eier, starke Frauen: An Portugals Westküste in der Regiao Centro formen Süß- und Salzwasser aus Flüssen und dem Atlantik eine Wasserlandschaft, die die Schicksale ihrer Anwohner über Jahrhunderte bestimmt hat.
„Esst doch noch was“, sagt die hutzelige Frau und stellt eine weitere Portion Aal-Eintopf auf den Tisch, nachdem wir bereits eine übervolle Platte der kostbaren Fische, frittiert zubereitet, ratzeputz verzehrt hatten. Alcina Lopes ist weit über 90 und brät in dem kleinen Hafenlokal von Bestida seit ihrer Jugend Aale.
Konservenfabrik als Museum
Frauen wie Dona Alcina hatten im zwanzigsten Jahrhundert sprichwörtlich die Hosen an. Auch wenn es die Männer der Region vielleicht nicht wahrhaben wollten, waren sie doch „nur“ zum Fischfang zu gebrauchen. Ihre Frauen haben die Ware verarbeitet und auf den Märkten das Geld dafür eingesammelt. Das alles neben Haus und Kindern. Als Mussolini im Zweiten Weltkrieg haltbare Fischkonserven für seine Armee bestellte, schlossen sich die Damen zusammen und gründeten die Konservenfabrik Comur, die fortan weite Teile des Landes versorgte. Heute ist in dem Fabrikgebäude in Murtosa ein beeindruckendes Museum untergebracht, das viele Geschichten der starken Frauen von der Ria da Aveiro erzählt.
Gefischt wurde von kleinen Booten namens Bateiras aus. Ihren größeren Geschwistern, den bunten Moliceiros, und den vielen Kanälen verdankt Aveiro den Spitznamen „Venedig Portugals“. Die kleine Stadt, kaum eine Autostunde von Porto entfernt, verzückt mit geschäftigen Gassen, vorzüglichen Restaurants, Art-Nouveau-Architektur und meisterhafter Streetart. Von hier aus lässt sich die Region am besten entdecken. Tagesausflüge in die nahen Städte Coimbra, Leira und Viseu lohnen sich.
Ein Trip an die Costa Nova kann fast als Geheimtipp gelten: Die meisten Touristen besuchen Aveiro von Porto aus und planen keine Zeit für den Traumstrand entlang einer Sandbank der Lagune ein. Dort stehen farbenfroh gestreifte Holzhäuser, die als beliebte Fotomotive um die meisten Likes auf Instagram konkurrieren. Früher dienten die einfachen Hütten den Fischern als Lager und Quartier, heute ziehen die mittlerweile komfortablen Unterkünfte Sommerurlauber an.
Lokale Spezialität selbst herstellen
Zurück in Aveiro entführt Touranbieter Aveiro Emotions auf süße und salzige Abenteuer. Die Salzgewinnung war historisch ein wichtiges Standbein der regionalen Wirtschaft. Zwar hat sie an Bedeutung verloren, Besucher können jedoch am Stadtrand eine intakte Salzplantage besichtigen und allerlei kulinarische oder Kosmetikprodukte als Mitbringsel ergattern.
Auf dem süßen Exkurs kann man selbst Hand anlegen: Eine lokale Spezialität, an der in Aveiro kein Weg vorbeiführt, sind Ovos Moles, vornehmlich ovale, hohle Oblatenhälften, die mit einem cremigen Eidotter-Zucker-Mix gefüllt und zu einer eierförmigen Praline zusammengepresst werden. Im Workshop kann man sich in der Herstellung üben.
Auch die süßen Eier sind mit einer Frauengeschichte verbunden. Eine Legende sagt, eine Nonne habe das Fastengebot umgehen wollen, indem sie die verbotene Mousse in der Waffelhülle versteckte. Uns erklärt man es anders. Der Dotter sei zuhauf als Rest bei der häuslichen (Frauen-) Arbeit übrig geblieben. Das Eiweiß wurde benötigt, um Gewänder beim Bügeln zu steifen. Das Gelb wurde, um es nicht wegwerfen zu müssen, mit Zucker haltbar gemacht.