Frankreich: Die Insel Noirmoutier zählt zu den Geheimtipps in der Biskaya an der Atlantikküste
Zweimal täglich, wenn sich bei Niedrigwasser das Meer zurückzieht, ist die 600 Meter lange Brücke, die vom Festland nach Noirmoutier führt, nicht der einzige Weg auf die Atlantikinsel. Dann legt das zurückgehende Wasser einen knapp viereinhalb Kilometer langen, fast kerzengeraden Straßenabschnitt – die Passage du Gois – frei, der seit Jahrhunderten über einen befestigten Damm führt und damit zu einer der ungewöhnlichsten Straßen der Welt zählt.
Touristisch nicht überlaufen
Der einzige gute Grund, der Insel mit ihren Salinen und Stränden, charmanten Dörfern und einer Mittelalterburg aus dem zwölften Jahrhundert einen Besuch abzustatten, ist das längst nicht. Dennoch wird sie noch immer als eine Art Geheimtipp gehandelt.
Im Vergleich zu den deutlich größeren Inseln vor der französischen Küste, Korsika, Oléron und Ré, sind die rund 120.000 Gäste, die hier pro Jahr bislang gemeldet werden, eine eher überschaubare Zahl. Und selbst deutlich kleinere Inseln wie die winzige bretonische Insel Bréhat und der ikonische Klosterberg Mont Saint-Michel kommen auf deutlich mehr Gäste.
Dabei sind die Dinge, die man hier erleben kann, kaum weniger aufregend als die Anfahrt über die Passage de Gois. Während der Saison gibt es Kurse für Wind- und Kitesurfen sowie fürs Strandsegeln; bei etlichen Anbietern kann man sich ein Kajak leihen und vor der Küste auf Erkundungstour gehen.
Oder man lässt es ruhig angehen und sich von Kapitän Pierre und seinem Team auf dem Segelschiff O Abandonado die Insel vom Wasser aus zeigen. Das mehr als 100 Jahre alte Schiff ist seit rund 30 Jahren hier auf der Biskaya im Einsatz und sorgt vor allem an windstillen Tagen für ein herrliches Gefühl der Entschleunigung.
Mit dem Fahrrad oder zu Fuß die Insel erkunden
Gemächlich lässt sich die Insel aber auch problemlos an Land entdecken, etwa auf dem Drahtesel. 80 Kilometer Radwege führen über die gerade einmal 48 Quadratkilometer große Insel mit ihren Naturschutzgebieten und Salzgärten, hinzu kommen weitere 60 Kilometer Wander- und Spazierwege, etwa zu Stränden oder dem seit den 1930er-Jahren geschützten Wald Bois de la Chaise.
Unterwegs auf den Routen passiert man aber auch immer wieder Orte, an denen die wichtigsten Exportprodukte der Insel hergestellt werden. Frühkartoffeln von der Sorte Bonnotte, die kaum woanders wächst als hier, Salinen, in denen Familienbetriebe nach alter Tradition Meersalz gewinnen. Und natürlich spielen auch mitten im Meer Austern und Fisch eine große Rolle.
Die Verbindung zwischen den vielen schönen Landschaften an der Küste sowie im Inland, schaffen die vier Inselorte: Noirmoutier en-l’Île, Barbâtre, La Guérinière und l’Épine, auf die sich die rund 9.500 Einwohner, 20 Hotels und zehn Camping-Plätze aufteilen. Auf dem Gebiet des Hauptorts, Noirmoutier en-l’Île, finden sich einige der Hauptattraktionen der Insel: das naturgeschützte Marschgebiet von Müllembourg, das charmante Dorf Le Vieil mit den gepflegten, weiß gestrichenen Häusern, die hübsche Blumendeko schmückt. In La Guérinière finden sich jahrhundertealte historische Windmühlen und auf 23 Metern über dem Meeresspiegel der höchste Punkt der Insel.
Strandvergnügen und Gezeitenfischen
Am entspanntesten geht es auf Noirmoutier aber an den etlichen Stränden zu: etwa an dem von Felsen und Wald begrenzten, kleinen Plage de l’Anse Rouge oder am weitläufigen, ruhigen Plage de Luzéronde, zu dem Dünenpfade führen. Besonders beliebt bei Wassersportlern und allen, die gerne ausgiebige Strandspaziergänge unternehmen, ist der sieben Kilometer lange, weiche Sandstrand zwischen La Guérinière und Barbâtre.
Oder man gestaltet den Spaziergang noch ein wenig abenteuerlicher und reiht sich ein in die beliebte Tradition des Gezeitenfischens, für das auch viele Familien vom Festland in Richtung der Passage du Gois kommen und bei Ebbe nach allerlei Strandgut suchen. Die Autos, die sich in langsamem Tempo mit ihren staunenden Insassen über die Straße knapp über dem Meeresgrund schieben, sind das beste Zeichen dafür, dass man noch ein bisschen Zeit hat, bis es zurück an Land gehen muss.