In der Grenzregion zu Montenegro lässt es sich hervorragend wandern. Erreicht man den Trail „Peaks of the Balkans“, wird es allerdings voll
Der ältere Herr verkauft Dosen mit Cola und albanischer Limo. Hoch oben über dem Valbonatal sitzt er mit seinem Maultier vor seiner kleinen Steinhütte mit dem Namen Buni i Valbones und wartet auf Kundschaft. Es gibt sicher aufregendere Tätigkeiten oder solche, bei denen man mehr zu tun hat. Denn in diese verlassene Bergregion im Norden Albanien verirrt sich kaum jemand.
Von der Hütte aus ist es nur noch ein kurzer Anstieg bis zur Grenze nach Montenegro. Wo man heute in aller Ruhe seinen Blick über die fast schon etwas bedrohlich wirkenden, etwa 2.500 Meter hohen Felsriesen schweifen lassen kann, saßen vor noch nicht allzu langer Zeit noch bis an die Zähne bewaffnete Soldaten in unzähligen Bunkern – jederzeit bereit, auf Eindringlinge aus dem Norden zu schießen.
Die Bunker stehen noch immer wie Betonpilze inmitten der blühenden Bergwiesen, dienen aber höchstens noch Wildtieren als Unterschlupf. Einsamer geht es kaum. Das ist sicher schlecht fürs Geschäft mit Limo aus der Dose, aber umso besser für alle, die keine Lust auf Gedrängel auf überfüllten Wanderwegen haben.
192 Kilometer Balkan
Den Kontrast gibt es am nächsten Tag bei der Überschreitung ins Trogtal. Der Weg dorthin ist Teil der im Jahr 2006 ins Leben gerufenen Trekking-Route „Peaks of the Balkans“, die auf insgesamt 192 Kilometern Kosovo, Montenegro und Albanien verbindet. Seither hat Albanien einen regelrechten Hype unter Wanderern erfahren. Insbesondere Skandinavier, Holländer, Franzosen und Deutsche reisen in Scharen auf den Balkan – auf der Suche nach spektakulären Bergerlebnissen abseits der Alpen.
Sobald man einen Fuß auf den bestens ausgeschilderten Trail gesetzt hat, wird es voll. Schon früh am Morgen reihen sich die Backpacker aneinander, zwischendurch ziehen turmhoch mit Reisetaschen beladene Pferde und Maultiere an einem vorüber. Und die Verkäufer von kalten Getränken entlang des Weges machen im Gegensatz zu ihrem Kollegen in der alten Steinhütte ein ausgesprochen gutes Geschäft.
Hübscher Ort, eiskalter Fluss
Was die ganzen Leute hier wohl wollen? Genau das gleiche wie man selbst natürlich auch: großartige Ausblicke genießen, den einen oder anderen Gipfel mitnehmen und sich darauf freuen, am Abend im hübschen Ort Theth in den eiskalten Gebirgsfluss zu springen.
Theth ist dann auch so etwas wie das albanische Zentrum der Trekking-Community. Hier gibt es Gästehäuser in unterschiedlichsten Preisklassen und Qualitätsstandards, eine malerische Kirche und einen kleinen Supermarkt. Die Kehrseite des Booms: An jeder Ecke entstehen illegale Bauten, teils auf abenteuerlichen Abhängen, auch die Sache mit der Müllabfuhr ist noch nicht abschließend geregelt. Jeder in diesem einst bettelarmen Tal möchte – verständlicherweise – möglichst schnell ein Stück vom großen Tourismuskuchen abbekommen.
Wunderschön ist es dennoch, sonst wären nicht so viele hier. Insbesondere am „Blue Eye“, einem türkisgrün leuchtenden Wassertümpel mit dekorativem Wasserfall. Wer das kleine Naturwunder ohne Touristenscharen durchschwimmen möchte, kommt am besten ganz früh morgens oder später am Abend. Dann kann man fast ganz alleine auf den vom Wasser blankpolierten Felsen sitzen, sich die umliegenden Berge anschauen – und sich wünschen, schon ein paar Jahre früher hergekommen zu sein.