Mauritius

Ein indisches Gesicht

Auf Mauritius leben hinduistische Traditionen fort, wie zum Beispiel die Feier zu Ganeshas Geburtstag

Auch die Gottheit mit dem Elefantenkopf hat mal Geburtstag. Der wird auf Mauritius gebührend gefeiert

Auch die Gottheit mit dem Elefantenkopf hat mal Geburtstag. Der wird auf Mauritius gebührend gefeiert. Fotos: Raluca Ioana Cohn / istockphoto; jm

Ajay surft momentan im Internet. Der angeklickte Wetterbericht verkündet: Es regnet in Strömen. Der Monsun hat den indischen Bundesstaat Bihar mächtig erwischt. Doch Ajays Computer steht 6.000 Kilometer südwestlich von der Überschwemmungsregion entfernt. Es scheint die Sonne. Das ist fast immer so auf Mauritius, diesem kleinen Fleck auf der Landkarte, der im großen Ozean liegt. Mauritius ist sowohl geografisch als auch politisch eine afrikanische Insel, die Touristen ein vertrautes europäisches Niveau in exotischer Landschaft bietet. Und: Mauritius ist eine Insel mit einem indischen Gesicht. Zwei Drittel der 1,2 Millionen Insulaner haben indische Vorfahren. Viele von ihnen kommen aus Bihar, wie auch Ajay.

Schmachtfetzen auf Hindi
Die indischen Einwanderer wurden im 19. Jahrhundert von den englischen Kolonialherren zur Arbeit auf den Zuckerrohrfeldern auf die Insel geholt – nach dem Verbot der Sklaverei 1835. Und die Inder brachten ihre Traditionen mit. Amtssprache ist zwar Englisch, wer was auf sich hält, parliert Französisch, aber die Schmachtstreifen im Fernsehen laufen alle auf Hindi. Gegessen werden Tandoori-Gerichte, die Frauen tragen Sari und Glück bringt der Bundi, der rote Punkt auf der Stirn. Und wenn man indische Traditionen spüren und sehen möchte, dann muss man zum Grand Bassin fahren, am besten an Ganeshas Geburtstag.

Das Grand Bassin, ein östlich von Le Petrin im Inselinneren gelegener Kratersee, wird fast jedes Wochenende und immer feiertags von gläubigen Hindus besucht, die dort beten, opfern, meditieren. Auch Ajay gehört dazu.

An Pilgerfesten wie in der Nacht zu Ehren Shivas oder an Ganeshas Geburtstag wurden schon an die 300.000 Gläubige gezählt, ein Viertel der Inselbevölkerung. Die Pilgerströme ziehen aus allen Himmelsrichtungen an diesen Heil versprechenden Ort. Viele sagen, es seien die größten hinduistischen Feste außerhalb Indiens.

Goldene Tücher für die Gottheit
Ganesha ist die Gottheit für Kunst und Wissenschaft, auch Kaufleute sehen in ihm den Schutzherrn. Bei vielen Hindus ist das Erste, das in eine neue Wohnung kommt, eine Statue des vierarmigen Gottes mit Elefantenkopf. Zum Ganesha-Geburtstag opfert Ajay Reis, Früchte, Blumen auf Bananenblätter, flankiert von einigen Rupien, ehe er sich ‧rituell im Wasser reinigt.

Die Menschen schöpfen das heilige Wasser in Bechern, Flaschen und Plastiktüten, benetzen die eigene Stirn und gießen es Ganesha über den Kopf als Zeichen der Verehrung. Familienmitglieder halten einander fest, damit alle Kraft auf alle übergeht. Viele Betende stehen hüfttief im Wasser, andere drängen sich am Ufer. Schreine und Statuen werden umrundet, Räucherstäbchen glimmen, Öllampen brennen, Blüten treiben im Wasser des Sees. Die Götterfiguren werden in goldene Gewänder und bunte Tücher gehüllt sowie über und über mit Blumenketten behängt. Das Mauritius der Strände und Hotels scheint weit weg, so weit wie Bihar von Mauritius entfernt liegt.

Von Jochen Müssig