Malediven

Wie schön ist die Langeweile

Sonniges Nichtstun auf der Malediven-Insel Kanuhura

Sonniges Nichtstun auf der Malediven-Insel Kanuhura

Für ein paar Tage auf der Insel Kanuhura

Fahrrad? Braucht man nicht unbedingt, ist aber trotzdem nett

Fahrrad? Braucht man nicht unbedingt, ist aber trotzdem nett. Fotos: jm

Kanuhura im Lhaviyani-Atoll, der vierte Tag im „unfettered paradise“: „Unfettered“ heißt frei übersetzt „ungehindert“. Und ich langweile mich genussvoll und völlig ungehindert, allen Action-im-Urlaub-Analysen zum Trotz. Am ersten Tag musste ich noch wie ein Getriebener die Insel erkunden. Am zweiten Tag wartete ich noch auf was Neues. Irgendwas! Keine Ahnung, was. Aber schon am dritten Tag kam die Wende: Ich wartete auf nichts mehr.

Was soll auch schon groß passieren auf maximal 1.412 mal 351 Metern? Die hatte ich ja nun bereits gründlich erkundet. Der Münchner Resort-Direktor Robert Hauck hat die Insel auf den Meter genau vermessen. Dabei kam ihm die Idee, noch in diesem Jahr einen Insel-Marathon zu veranstalten mit einer Strecke, die die Läufer zu 80 Inselumrundungen bringt. Oh mein Gott, wie schrecklich!

Stolz auf den Einsiedlerkrebs
Kanhurua-Zeit ist eine Stunde plus, um den Tag länger genießen zu können. Um die Langeweile besser ausleben zu können. Dem Einsiedlerkrebs da unten im Sand ist es sicher nicht langweilig. Der geht seinem Tagesgeschäft nach. Radarmäßig scannen die Augen die Umgebung. Und ist die Luft rein, wird gebuddelt, was das Zeug hält.

Einmal haben sie vom Resort ein Einsiedlerkrebsrennen veranstaltet. Und zwar mit den Krebsen, die ein Häuschen mit sich tragen. Jeder der Teilnehmer schrieb eine Nummer auf das Häuschen. Und als alle losgelassen wurden und in alle Richtungen krabbelten, blieb meine Nummer 11 zu meinem ganzen Stolz sehr souverän an Ort und Stelle. Sie hat sich dem Rennen einfach verweigert. 

Mango-Smoothie mit Eistuch
Jeder Tag hat seinen eigenen Rhythmus. Aufstehen, 27 Schritte gehen und sich – noch schlaftrunken – in dieses unwirklich blaue Wasser plumpsen lassen. Langsam wach werden, rumplantschen, der Wasserschildkröte „guten Morgen“ sagen, unterm freien Himmel duschen und wohlgemut zum Frühstück radeln.

Ja, radeln! Jeder Bungalow hat zwei Fahrräder, um die Insel entdecken zu können. Ich ordne das mal unter aktive Langeweile ein, wie das Surfen oder Schnorcheln. Streng genommen treten die Fahrräder aber wahrscheinlich ganz bösartig und kontraproduktiv gegen die Langeweile an, wie dieses Kartenspiel, das in jedem Zimmer ausliegt und als „happy families game“ fungiert.

Früher sammelten wir Autos zum Quartett. Auf Kanuhura spielen sie Septett, weil es für fünf Kategorien wie zum Beispiel „Um die Insel“ oder „Im Wasser“ jeweils sieben Karten mit Aktivitäten zum Sammeln gibt. So soll der Langeweile der Garaus gemacht werden. Selbstverständlich ignoriere ich die schön gemachte Kartenschachtel.

Ein Kanuhura-Freitag bringt freundlicherweise ein Eistuch und einen Mango-Smoothie vorbei. Aber ganz ehrlich: Ich wäre auch so nicht eingeschlafen! Denn am Steg reiht sich wieder das Begrüßungskomitee der anderen Freitags auf – für neue Gäste, die gleich einschweben.

Wie gut, dass die 15-sitzigen Twin Otter zwei- oder dreimal am Tag so richtig Lärm machen. Sonst wüsste man ja gar nicht mehr, was das ist: Lärm. Dann steigen immer die gleichen bleichen Gesichter aus, die, von Tür zu Tür gerechnet, meist in die 18. Stunde ihrer Reise gehen und jetzt nur noch eines machen wollen: nichts. 

Jochen Müssig