Seychellen

Paradies auf dem Prüfstand

Von zahlreichen Hotels hat man einen grandiosen Blick auf den schier endlosen Ozean. Foto: ws

Von zahlreichen Hotels hat man einen grandiosen Blick auf den schier endlosen Ozean. Foto: ws

Die Seychellen gelten als Garten Eden für Ökotouristen, doch nicht überall stimmt die Balance zwischen Luxus, Umweltschutz und Nachhaltigkeit

Anna Zora mit einer kleinen Riesenschildkröte. Foto: ws

Anna Zora mit einer kleinen Riesenschildkröte. Foto: ws

Vor Sonnenaufgang sind die Paradiesvögel schon wach. Mohnrote Madagaskarweber, winzige Nektarvögel und perlweiße Seeschwalben flattern vor der Hotelterrasse. Angst vor dem Menschen kennen sie kaum. Der gerade Angereiste wähnt sich in einem Eldorado.

Die Seychellen gelten als Rückzugsort für Ökotouristen mit dickem Geldbeutel und grünem Gewissen. Die Inselnation hat als eines der ersten Länder der Welt den Naturschutz in ihrer Verfassung verankert. Mehr als die Hälfte der Landesfläche ist geschützt. Doch nicht alles ist so strahlend wie in den Hochglanzbroschüren. Ein Großteil der Riffe des Archipels ist von Korallenbleiche betroffen. Der Ozean ist überfischt.

Siegel der Nachhaltigkeit oftmals zweifelhaft

Etliche Hotelketten und einige Milliardäre haben sich hier im letzten Jahrzehnt ihren Traum vom Insel-Hideaway erfüllt – bisweilen auf Kosten der Natur. Zwar vermarktet sich hier fast jedes Hotel als Ökoresort – angesichts einer zunehmenden Bebauung der Hauptinseln und eines Hotelbetriebs, der hauptsächlich von Importen aus dem Ausland lebt, bleibt das Siegel der Nachhaltigkeit jedoch bei etlichen zweifelhaft.

Einige gelten jedoch als Vorbild für Hotels weltweit, die versuchen, Luxus mit engagiertem Umweltschutz zu verbinden – etwa die Privatinsel Frégate. Wer Anna Zora über das Eiland folgt, lernt einiges über die einzigartige Flora und Fauna Frégates. „Der Seychellendajal ist unser ganzer Stolz“, sagt die 37-jährige Meeresbiologin, während sie einen Vogel beobachtet, der einer Amsel ähnelt – jedoch mit strahlend weißem Pinselstrich auf den Flügeln.

Weniger als 20 von ihnen soll es um 1990 noch auf Frégate gegeben haben. Es waren die letzten Überlebenden ihrer Art. Die Umwandlung der Insel von einer Plantage in ein Ökoresort hat den Seychellendajal wohl vor dem Aussterben bewahrt. Inzwischen gibt es wieder mehr als 160 von ihnen auf Frégate.

Reiche Gäste zahlen für Naturschutz

Seit mehr als 40 Jahren läuft auf Frégate ein Renaturierungsprojekt. Unzählige Seevögel sind seither zurückgekehrt. Und etwa 3.500 Riesenschildkröten leben mittlerweile hier. Das Geld für den Naturschutz kommt von Firmenbossen und Hollywood-Stars, die auf Frégate urlauben. Dafür zahlen sie mindestens 4.000 Euro pro Nacht. „Den meisten ist die Umwelt wichtig“, sagt Anna Zora, „aber es gibt natürlich auch Ausnahmen.“

Sie weiß, wie schwierig es ist, die hohen Ansprüche mit den Nachhaltigkeitsstandards der Insel zu vereinbaren. Frégate muss wie alle Seychelleninseln sämtliches Fleisch einführen. Darauf will beim Traumurlaub aber kaum jemand verzichten. Solarenergie deckt bisher nur einen Teil der benötigten Energie ab. Immerhin kommt der organisch geführte Inselgarten für 40 bis 80 Prozent des Resort-Bedarfs auf.

Wenn man bei Sonnenuntergang vom höchsten Punkt Frégates über den Tropenwald blickt, ist die Luft vom Rufen der Seevögel erfüllt. Plötzlich ist das Paradies ganz nah, das einst die Entdecker beschrieben. Der Mensch als Gärtner im Garten Eden ist fast vergessen. Er vermag mühsam ein paar entlegene Inselchen zu bewahren – in einem Ozean, den er weiter hemmungslos ausbeutet.

Win Schumacher