British Virgin Islands

Gone with the little secrets

Teuflisch schön: die Devil’s Bay auf der Insel Virgin Gorda.

Mit dem Katamaran auf Zickzack-Kurs um die British Virgin Islands in der Karibik

Im Anegada Reef Hotel kommt der Hummer fangfrisch auf den Tisch.

Bekannt für ihre Full-Moon-Partys: die Bomba-Bar auf Tortola. Fotos: pa

Die Frau am Steg des Anegada Reef Hotels sieht aus wie aus einem Wachsfigurenkabinett: makellose schwarze Haut, pechschwarze Locken, perfekt drapiert wie bei einer Perücke aus dem Barock, enge Jeans und ein gelbes T-Shirt ohne Schweißflecken. Auf ihren Fingernägeln schillern Ornamente, es sind die Hände einer Taxifahrerin. Sie wird uns heute ihre Insel zeigen, Anegada im Norden der British Virgin Islands (BVI). Schon seit mehreren Tagen kreuzen wir mit einem Katamaran um die Inselgruppe in der Karibik – zerzaust vom Wind, gezeichnet von dem feuchtheißen Klima und von Moskitos.

Die Frau mit Allwetter-Taft-Frisur scheint aber nicht aus Wachs zu sein, denn sonst wäre sie längst geschmolzen. Sie steigt in ihr klimatisiertes Fahrerkabuff, wir klettern auf die Ladefläche des Touristen-Taxis, das an einen Safari-Jeep erinnert: offen nach allen Seiten, zum Fotografieren ohne Barrieren.

„Nature’s little secrets“ wollen wir entdecken, so die Werbung des Fremdenverkehrsamtes. Ein Spruch, der sich auf den Nummernschildern der Inselautos vielfach in Erinnerung ruft. Die Autos stammen meist aus Amerika, das Steuerrad ist links, was nicht recht passt: Als britisches Überseegebiet gilt auf den BVI Linksverkehr. Der Tourist kann sich jedoch entspannen. Er wird sich überwiegend mit dem Taxi fortbewegen, und Gelassenheit ist das Gebot der Tempostunde.

Ampeln gibt es auf Anegada nicht. Wozu auch, wenn der Gegenverkehr auf der Inselrundfahrt aus zwei Autos besteht. Rund 200 Menschen leben auf dem flachen Flecken, der anders als die anderen Inseln nicht vulkanisch, sondern aus Korallen und Kalkstein ist. Ein schlafendes Kälbchen auf der Sandpiste geriert zum begehrten Fotomotiv – nebst den fantastischen Stränden mit weißem Sand, türkisfarbenem Meer und Schnorchelqualitäten, die jeder Katalogretusche entbehren.

Die einzige Touristenherberge auf Anegada ist das Reef Hotel im Motel-Stil. Eine Einkehr empfiehlt sich im Restaurant, das für sein Hummeressen bekannt ist: Wie aus dem Himmel gefallen scharen sich Besuchergruppen um die Tische, um die fangfrischen Schalentiere zu knacken.

Tourismus ist mittlerweile wichtiger für die Jungferninseln als Fischfang und das Bankengeschäft. Die meisten Gäste kommen aus Nordamerika, gefolgt von den Europäern wie Briten, Italienern und Deutschen. Das Hauptreisemotiv: Segeln kombiniert mit einem Badeurlaub. Man kann das verstehen, denn das kulturelle Programm ist tatsächlich „little“. Auf Anegada erschöpft es sich in einer fliegenumschwärmten Leguan-Pflegestätte und der mit Kuhschädeln dekorierten Cow Wreck Bar.

Auf der Hauptinsel Tortola lädt uns Keith in sein Taxi ein, im weißen Hemd und dunkler Hose, aus dem Ei gepellt wie seine Kollegin auf Anegada. „Come as guest leave as friends“, steht in dem Graffiti-besprühten Sightseeing-Mobil. Sein Bruder ist Künstler, und dessen Gemeinschaftswerk – eine bunte Mauer, die Inseltraditionen bebildert – ist die überraschendste Sehenswürdigkeit.

Wir schauen noch im Museum auf einem ehemaligen Fabrikgelände vorbei, das über Zuckerrohranbau und Sklaverei informiert. Das Museum ist little wie die Main Street von Road Town mit ihren pink-violetten und kanariengelben Puppenhaus-Stores. Monströse Motorhauben pressen sich durch die Straße, die zugleich eine Flaniermeile für Geflügel ist.

Nächste Station: die Bar von Bomba, dem Feierkönig. In dem gammeligen Schuppen trifft man sich zur Full-Moon-Party, nachdem man sich mit Magic-Mushroom-Tee und Joints in Stimmung gebracht hat. Die Bretter sind mit Sprüchen beschmiert, „Bomba likes blondes, but he loves all women“. An der Decke baumelt Unterwäsche, von Wind und Wetter unappetitlich gegerbt.

Was sind das für Leute, die man als Gast treffen und als Freund verlassen soll? Sie mögen voluminöse Autos, Klimaanlagen, Basketball und ausladende Burger-Portionen. Ohne Arbeit sind 3,1 Prozent, die meisten haben afrikanische Wurzeln und zählen sich zu den Methodisten, Anglikanern und Katholiken. Wer die BVI mit dem Boot bereist, wird die Menschen vielleicht nur streifen und als naturferne Wesen wahrnehmen, die gerne den Motor laufen lassen, der Klimaanlage und des tadellosen Outfits wegen.

Die Geheimnisse der Natur eröffnen sich hingegen vielerorts. Teuflisch schön ist die Devil’s Bay auf Virgin Gorda. Ein Pfad mit Wasserlöchern, Holzleitern und grottenähnlichen Gängen führt in die Bucht: eine Wucht mit Kristallwasser und seichtem Wellenspiel um Granitbrocken.

Überhaupt ist die karibische Badewanne für Segler eine Dauerverführung, der er sich jederzeit hingeben kann. Mini-Inseln wie Sandy Spit laden zum Ankern, Schnorcheln und Nichtstun ein. Gegen die unerträgliche Leichtigkeit des Seins serviert die Soggy Dollar Bar auf Jost Van Dyke den „Painkiller“-Cocktail, eine Rezeptur aus Rum, Kokosmilch und Fruchtsaft mit einer Prise Muskatnuss.

Pilar Aschenbach

 

Buchungsinfos
Yachtcharter: Master Yachting Deutschland (Telefon 0 93 33 / 90 44 00)
Pauschal- und Bausteinreisen: zum Beispiel Airtours, Dertour, Design Reisen und Meier’s Weltreisen
Unterkünfte: Feriendomizile für Individualurlauber vermittelt die BVI-Repräsentanz unter Telefon 0 21 59 / 81 47 88 und reservierung(at)travelmarketing.de
Flug: mit Air France via Paris und mit KLM via Amsterdam nach St. Marteen oder mit Condor nach Antigua; Anschlussflüge mit Liat nach Tortola