British Virgin Islands

Offene Gesellschaft

Früher bei Philip Morris tätig, heute Skipperin in der Karibik: Captain Debbie Clark.

Auf einer Katamaranfahrt ist es gut, wenn man sich versteht

Einer unserer Co-Kapitäne.

Blick in die Segel des „Pergolese“ ...

... und in eine Kabine. Fotos: pa

Ein Schiff, sieben Menschen. Vier aus Deutschland, zwei aus Österreich und eine Amerikanerin. Vier Frauen, drei Männer. Keiner kennt keinen, doch das wird sich in den nächsten Tagen ändern. Wir wollen gemeinsam auf Seefahrt gehen, eine Woche lang um die British Virgin Islands in der Karibik. Mit dem Katamaran "Pergolese", Modell Catana 50, 14 Meter lang und 8 Meter breit. Fünf Kojen, ebenso viele Nasszellen, Küchenzeile, Sitzecke.

An einem Steg auf der Hauptinsel Tortola wiegt sich im türkisblauen Wasser unser schwimmendes Heim, eine schnittige Schönheit in Brautweiß. Auf dem frisch gewischten Deck nimmt uns Captain Debbie Clark in Empfang, die Skipperin: groß, drahtig, braungebrannt, 55 Jahre. Sonnengebleichtes Haar, Boardshorts und Top.

Ich schmeiße mein Gepäck an Bord, eine Reisetasche, denn für sperrige Koffer ist kein Platz, und frage mich, ob ich mich da nicht gerade in eine Art soziales Experiment begebe - mit fremden Leuten auf so engem Raum. Aussteigen unterwegs: eher schlecht. Wie war das noch bei dem Sartre-Psychodrama "Geschlossene Gesellschaft" - die Hölle sind die anderen? Doch zurück geht nicht: Zum Erkunden der wild versprengten Jungferninseln ist ein wendiges Boot das ideale Fortbewegungsmittel.

Debbie weist uns in den Pergolese ein: Schuhe sind an Bord nicht gern gesehen, kein Toilettenpapier ins Klo werfen, Türen und Fenster geschlossen halten, damit die Klimaanlage arbeiten kann, aber vor allem Obacht auf die schwenkenden Segel, sofern man nicht über die Reling katapultiert werden will. Kabinenverteilung: Kerstin und ich entschließen uns zur Wohngemeinschaft auf Zeit. Sie ist in meinem Alter, Mitte 30, und wirkt unkompliziert.

Anker lichten, Bojen einholen, Kurs nehmen in einen Teil der Karibik, der Photoshop-Retusche nicht nötig hat: ideale Farben und Formen. Gernot geht Captain Debbie flink zur Hand. Der Österreicher ist passionierter Segler und lässt uns am Abend, als wir in gemütlicher Runde an Deck sitzen, wissen: Er war schon auf einem halb so großen Schiff unterwegs, wochenlang und mit doppelt so vielen Personen. Unsere Belegung auf dem Pergolese sei purer Luxus dagegen.

Alles ist relativ, ja klar. In unsere Kabine ist jedenfalls planvolles Handeln angesagt: Die Tür zum Bad - WC mit Handbrause - kollidiert mit der Kabinentür, aber die Kabinentür kann man nicht geschlossen halten, weil die Klimaanlage ein Problem hat und man ja irgendwie ein bisschen Luft in das drückend heiße Kabuff schleusen muss. Die Dusche funktioniert hingegen hervorragend. Unser Pergolese hat einen 800-Liter-Wasserbauch, der von der schiffseigenen Entsalzungsanlage befüllt wird. Vor dem Abbrausen muss man nur daran denken, alles, was nicht nass werden soll, zu evakuieren. Anfangs klappt das nicht immer.

Mit meiner Kabinengenossin Kerstin habe ich ein Glücklos gezogen: Wir sind total auf einer Wellenlänge. Schnell ist eine unausgesprochene Regel aufgestellt, damit wir uns nicht ständig anknuffen: Möglichst kramen wir abwechselnd in der Kabine herum. Debbie bewohnt die vordere Koje, nur zu erreichen über eine Luke mit steiler Leiter. Vor vielen Jahren hat die Amerikanerin ihren Job beim Tabakriesen Philip Morris in Kentucky hingeschmissen, seitdem lebt sie auf den British Virgin Islands und segelt mit Touristen.

Obwohl noch keine Regenzeit ist, regnet es viel auf unserer Reise. Debbie passt die Schauerpausen meisterhaft ab, um uns mit dem Beiboot immer wieder trocken an Land zu bringen: zum Essen, zu einem Musik-Festival, zu Inselrundfahrten. Auf Virgin Gorda (dicke Jungfrau), einer weiblich geformten Insel mit baumbestandenem Becken und einem Traumstrand dort, wo die Taille ist, streifen wir durch die Felsbrockenformation "The Baths", Kulisse einer H & M-Kampagne mit Heidi Klum. Unser Crew-Mitglied Thomas, der Motivjäger, ist hingerissen. Für ihn sind die grauen Steine, der weiße Sand und das kristallklare Wasser der "Shot" schlechthin. Im Stakkato drückt er auf den Auslöser.

Debbie und Gernot sind nach kurzer Zeit ein eingespieltes Team. Um ihnen beim Segelsetzen und Ankermanöver nicht im Wege zu stehen, verkrümeln wir uns auf die Schlummermatte neben dem Mast oder auf das federnde Netz am Bug - perfekt zum Lesen und Musikhören über I-Pod-Ohrschnuller. Das Wellenschaukeln lullt den Willen ein und die Schwüle macht träge. Anderen scheint es ähnlich zu gehen, zumindest entpuppen sich die Buchten der Jungferninseln als kollektive Chill-Zonen. Segelboote namens "Happy", "Mambo" und "Painkiller", wie der inseleigene Cocktail heißt, schunkeln hier phlegmatisch um die Bojen.

Mit der Zeit pendeln wir uns immer besser ein. Ralf aus dem Rheinland ist in die Rolle des Schankwarts geschlüpft. Neben Wasser und Bier, notdürftig gekühlt in einer Plastikbox mit Eiswürfeln, werden bordküchengemachte Cocktails ausgegeben, Ananassaft aus der Dose mit billigem Rum und frisch geriebener Muskatnuss. Abscheuliches Gesöff! Aber in der Not und des Gemeinschaftsgefühls wegen ...

Zum Abendessen setzen wir meist auf eine Insel über, denn nach Kochen steht uns nicht der Sinn. Vor allem wollen wir aber etwas Abwechslung zur Himmel-Meer-Tapete und uns unter Einheimische mischen. Auf Anegada, einer spröden Insel im Norden, flach und bleich wie ein Crêpe, testen wir das beliebte Hummer-Bankett des Reef Hotels. Auf Tortola kämpfen wir uns bei der Restaurantkette Pusser's tapfer durch riesige Burger-Portionen, und mehrfach genießen wir köstliche Fischgerichte mit Goldmakrelen. Was sich sonst noch im Wasser tummelt, Barrakudas und Tarpune, erklärt uns Gernot, unser Spezialist für alles Mögliche.

Nachts fliehe ich oft aus der stickigen Kabine auf das Vorderdeck. Das Netz eignet sich, sofern man eine Matte unterlegt, ganz fabelhaft als Bett. Das hat auch Thomas herausgefunden, aber die Fläche reicht locker für mehrere Personen. Leider dauert es nie lange bis zum nächsten Regenguss, so dass ich erneut umziehen muss. Meist entscheide ich mich dann für die Bank im Gemeinschaftsraum, auch wenn dort Debbie in aller Herrgottsfrühe mit den Frühstücksvorbereitungen beginnt und meine Nacht damit zu Ende ist.

Viel zu tun gibt es nicht auf den Inseln und an Bord. Die Tage dämmern dahin mit Schnorcheln, Schwimmen und Stand-up-Paddling, das Debbie königlich beherrscht und Neugierigen bereitwillig lehrt. Umso erstaunlicher ist es, dass wir uns nicht auf die Nerven gehen. Selbst an dem Nachmittag, als das Wetter sehr übellaunig ist und der Pergolese kräftig schaukelt, gerät der Gruppenfrieden nicht und nur der Magen unserer vierten Frau, Silke, aus dem Gleichgewicht.

Big Brother wäre schnell langweilig geworden, hätte er ein Auge auf uns geworfen. Harmonisches Beisammensitzen statt Zanktheater. Inspirierende Gespräche statt stumpfer Saufgelage. Keine Zickenkriege, keine Macho-Machtspiele. Keine Eigenbrötler, kein Klassenclown. Ein Glücksfall - oder lag es am Caribbean Way of Life, der uns so geschmeidig gemacht hat?

Pilar Aschenbach

Buchungsinfos

Yachtcharter: Dream Yacht Charter wird in Deutschland durch Master Yachting vertreten, Telefon 0 93 33 / 90 44 00, www.master-yachting.de 
Flug: Mit Air France via Paris oder mit KLM via Amsterdam nach St. Marteen; Anschlussflüge mit Liat nach Tortola