USA

Colorado: Im Mancos Canyon zu Großmutter Spinne

Rickey Hays zeigt im Mancos Canyonjahrhundertalte Petroglyphen. Fotos: mw

In den Ute Mountains machen sich Besucher mit Indianern auf Spurensuche im Mancos Canyon

Der Chimney Rock steht am Eingang des Ute Mountain Tribal Parks

Der Chimney Rock ist nicht zu übersehen. Der markante Felsen steht gleich am US-Highway 491 nur ein paar Dutzend Meilen nordwestlich der berühmten Four Corners, wo Colorado an die drei Bundesstaaten Arizona, New Mexiko und Utah grenzt. Gleich dahinter schlängelt sich eine staubige Piste in den Canyon des Mancos River im unwegsamen Ute Mountain Tribal Park. Nur in Begleitung darf man das alte Stammesland betreten, das die US-Regierung den Ute vor gut 120 Jahren als Reservat zugewiesen hat.

Von einer aufgegebenen Tankstelle am Straßenrand aus startet Rickey Hays zu sehr persönlichen Touren durch den Park. „Wissen ist Macht“, sagt der 61-Jährige und reibt sich den Schweiß aus den Haaren mit den beiden langen Zöpfen. Selbst seine Enkel sprächen nur noch „Englisch und Handy“.

Dabei ist Hays der Neffe des letzten Chiefs Jack House, der in den 1970er Jahren das Land vorsichtig für westliche Besucher öffnete. Seit 30 Jahren versucht Hays zu retten, was zu retten ist – für die 10.000 Mitglieder des Ute-Volkes in ihren sieben Stämmen und für alle anderen Menschen. Während Truthahngeier im vor Hitze flimmernden Himmel kreisen, zeigt er Gästen, was frühere Indianerkulturen hinterlassen haben.

Auf Felsplatten liegen Keramikreste in ganzen Scherbenbetten verstreut. Unter Felsüberhängen stehen Ruinen präkolumbischer Häuser aus Adobe-Ziegeln, für die vor allem der benachbarte Mesa-Verde-Nationalpark so berühmt ist.

An den Felswänden haben Menschen vor 1.200 Jahren schon Kalender eingeritzt, die präzise den kürzesten und den längsten Tag des Jahres anzeigen und die Tag- und Nachtgleiche. Wichtige Daten für Zeremonien wie den Sonnentanz, zu denen Hays sich mit wenigen anderen noch heute jedes Jahr für mehrere Tage in unterirdische Kulträume zurückzieht. „Wir machen das, damit unsere Welt nicht ins Chaos stürzt“, sagt der Ute-Mann.

Schließlich sei das schon dreimal passiert, seit Großmutter Spinne das Netz der Welt gewoben und all ihren Kindern und Enkeln Liebe und Fürsorge empfohlen habe. Viele Petroglyphen, schematisierte Zeichen von Menschen und Tieren, illustrieren diese Geschichte.

In seiner Welt aus Mythen steht der Ute ziemlich allein auf weiter Flur. Zwar könnte theoretischjedes Stammesmitglied die riesigen Ländereien nutzen. Außer einem Pferdezüchter, der ein paar Tiere hier weiden lässt, ist aber niemand zu sehen. „Es gibt ja kein Kabelfernsehen hier“, sagt Hays. Die Stammesbrüder leben lieber in einer Siedlung mit Krankenhaus und Feuerwehr sowie Supermarkt. Touristen besuchen dort das Casino.

Vor einem Felsüberhang, unter dem sein Onkel einst vor dem Sonnentanz lagerte, gießt der Neffe des Häuptlings etwas Wasser aus einer Plastikflasche auf die trockene rote Erde. Mit dem Gesicht zur Sonne erinnert er in Ute-Worten an die Ahnen und beschwört den Geist von Großmutter Spinne. Das ist keine Folklore, wie sie bei Tanzvorführungen im nahen Cortez praktiziert wird. Es ist ein ungeschminkter, sehr persönlicher Moment, bevor die heißen Sonnenstrahlen alle unerbittlich zurück in den Schatten treiben.

Infos zu Halb- und Ganztagestouren: www.utemountaintribalpark.info.

Von Martin Wein