USA

Massachusetts: History auf Schritt und Tritt

Pilgergeschichte im Museumsdorf Plimoth Plantation.

Das Stadtbild von Boston unterscheidet sich vom üblichen US-Standard

Viele Wege führen durch Boston. Einen davon sieht man glücklicherweise nicht mehr. Ein anderer hingegen ist farblich so auffällig markiert, dass ihn ja niemand übersehen kann. Aber der Reihe nach: Seitdem das Megabauprojekt „Big Dig“, die unterirdische Verlegung der mehrspurigen Autobahn I 93 im Northend vor zwei Jahren abgeschlossen wurde, blüht auch dieser zuvor etwas heruntergekommene Teil von Boston wieder sichtlich auf. Dort, wo vorher täglich zigtausende Autos durch das Stadtgebiet brausten, gibt es nun Grünflächen und Plätze zum Flanieren.

Besagter anderer Weg führt oberirdisch kreuz und quer durch die Stadt. Er ist bereits über 50 Jahre alt und wird zu Fuß absolviert: der Freedom Trail. Die mit roten Pflastersteinen oder einer roten Linie gekennzeichnete Strecke beginnt im Stadtpark und endet am Bunker Hill Monument in Charlestown. Auf der geschichtsträchtigen Route liegen 16 Sehenswürdigkeiten aus der Zeit von 1625 bis 1812. Einen halben Tag sollte man mindestens für die unterhaltsame Stadtwanderung einplanen. Hinterher ist der Boston-Besucher um einiges an Wissenswertem über die Geschichte der Stadt reicher: Er lernt dabei vielleicht sogar den Lokalpatrioten Paul Revere in Person eines kostümierten Darstellers kennen, der plötzlich an einer Straßenecke auftaucht und aus der Kolonialzeit plaudert.

Beim Bummel durch Boston wird zudem schnell klar, dass sich das Stadtbild grundsätzlich ein wenig vom üblichen US-Standard unterscheidet: Vom modernen Wahrzeichen der Stadt, dem gläsernen Hancock-Building abgesehen, sind die Wolkenkratzer bei Weitem nicht so hoch wie in anderen amerikanischen Großstädten. Der Uhrenturm des alten Zollgebäudes am Hafen ist und bleibt indes das traditionelle Erkennungszeichen. Auch das Straßennetz hat durchaus europäische Dimensionen.

Für die meisten europäischen Touristen ist Boston jedoch nicht das alleinige Reiseziel, sondern dient als Ausgangspunkt für Ausflüge in die nähere Umgebung Neuenglands und seiner Naturschönheiten. Exkursionen mit dem Mietwagen in die scheinbar endlosen und für ihre allherbstliche „flammende“ Farbenpracht berühmten Wälder dieses Landesteils gehören einfach zum Programm. Genau genommen handelt es sich dabei um einen nachgewachsenen Urwald: Die Fauna hat hier fast schon wieder ihren Zustand erlangt, wie vor der Kolonialisierung und Rodung der Hartholz-Baumarten durch die Siedler im 17. Jahrhundert.

Die Küsten entlang geht es in das idyllische Provincetown auf Cape Cod oder in das historische Plymouth. Dort liegt der Nachbau der Mayflower vor Anker, jenem berühmten Schiff, mit dem die ersten Siedler aus England angekommen waren, sowie das Museumsdorf Plimoth Plantation. Es gibt einfach kein Entrinnen vor der US-Geschichte, die einem auf Schritt und Tritt begegnet. Gleiches gilt für die elitären Universitäten im Großraum von Boston – die klangvollen Namen Cambridge, Salem, Harvard sprechen für sich selbst.
Peter Jaitner
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