USA

Wo Hollywood shoppen geht

Teuerste Einkaufsstraße der Welt und Laufsteg für Stars: der Rodeo Drive in Beverly Hills.

Los Angeles: Rodeo Drive – ein Tag in der teuersten Einkaufsmeile der Welt

Exzentrisch: Sein gelber Rolls Royce war Blickfang und Markenzeichen des Star-Designers Bijan Pakzad. Fotos: hs

Alle paar Minuten kam sie auf ihren enorm hohen Stöckelschuhen aus dem Laden gestakst und kaufte ihrem Chef Zeit. Für drei Minuten zahlte sie fünf Cent, für 15 Minuten stopfte sie eine Vierteldollar-Münze in die Parkuhr am Rodeo Drive. Maximal eine Stunde konnte sie für das zitronengelbe Rolls-Royce-Cabrio mit dem Nummernschild „BP 111“ so erstehen. Dann musste sie wieder angestöckelt kommen und nachstopfen – selbst wenn gerade Tom Cruise, Barack Obama oder der saudische König im Laden gewesen sein sollten.

Diese sind Stammkunden des Geschäftes am Rodeo Drive in Los Angeles, das noch immer mit dem Slogan wirbt, der teuerste Herrenausstatter der Welt zu sein. Wer hinein wollte, und war er noch so vermögend, brauchte zuvor einen Termin. Der exzentrische persische Edel-Schneider öffnete nur mit vorheriger Verabredung und verkaufte nicht an jedermann. Weil der gelbe Luxuswagen so gut zur Farbe des Ladens und noch besser zum Image passte, stand er idealerweise direkt vor der Tür – auch wenn der Spaß jeden Werktag gut zehn Dollar kostete. Kleingeld war für einen wie Bijan Pakzad nicht der Rede wert – nicht für einen Anrainer der exklusivsten Einkaufsstraße der USA, wo ein Geschäft in guter Lage leicht 100.000 Dollar Monatsmiete kosten kann.

Pakzads Auftritt so ganz ohne Understatement tat dieser Straße gut. Mit ihm fiel plötzlich auch der Rodeo Drive auf, machte Schlagzeilen, bekam das Image, gut und teuer zu sein – und eine Nobelmarke nach der anderen siedelte sich dort an. Vor gut drei Jahren starb Pakzad, sein Laden besteht aber weiter, die Kinder und langjährige Geschäftspartner führen ihn nun. Und noch immer gilt „by appointment only“.

Der Rodeo Drive im noblen Beverly Hills ist keine halbe Meile lang. Aber jeder, der in der Modewelt einen großen Namen hat, ist an dieser Straße vertreten: von Valentino bis Versace, von Dolce & Gabbana bis Armani. Vor den Geschäften parken die ‧Jaguars, Bentleys und Porsches der Kunden. Und auf dem Asphalt rollen im Schritttempo die Leihwagen der Schaulustigen und Ausflugsbusse der Touristen. Sie sind auf Pirschfahrt, machen Prominenten-Safari und hoffen, einen der Leinwand-Stars in zivil auf dem Boardwalk zu entdecken. Dabei könnten die meisten von denen unerkannt in der Busreihe vor ihnen sitzen. Hollywood-Helden sehen nur im Film aus wie Stars und können selbst am Rodeo Drive ganz normal einkaufen gehen.

Am ehesten fallen sie durch die Reaktionen der Verkäufer auf: bei Valentino zum Beispiel, wenn der Filialleiter plötzlich alles stehen und liegen lässt, um sich um Julia Roberts zu kümmern, die gerade lautlos und unscheinbar durch die Ladentür geschwebt kommt – offenbar mit der festen Absicht, zügig ein paar tausend Dollar auszugeben.

Dabei ist der Rodeo Drive nicht überheblich, Schwellenangst nicht erforderlich. Zwar ist diese Straße mehr als jede andere ein Laufsteg und die Geschäfte sind Bühnen. Aber kein Laufsteg funktioniert ohne Publikum. Schaulust ist Teil der ‧Inszenierung. Und auch wenn Couturier Bijan kaum jemanden in seinen Laden ließ, sind neugierige Blicke durchs Schaufenster doch durchaus erwünscht. Sie gehören ebenso zum Gesamtkonzept dieser Straße wie die Menschen, die sich gegenseitig ein Stück weiter vor dem Straßenschild mit dem goldenen Schriftzug „Rodeo Drive“ fotografieren.
Helge Sobik
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