Die Metropole hat sich zur hippen Destination für Kunstfreunde entwickelt
Schrauber und Kleinkriminelle prägten vor zehn Jahren das Viertel Wynwood fünf Meilen nördlich von Downtown Miami. Niedrige Lagerhäuser, oberirdische Stromkabel und bröckelnder Asphalt sind Zeugen dieser Vergangenheit. Früher wagte sich hier kein Tourist aus dem Auto. Inzwischen kommen Hunderttausende. In Wynwood wartet das größte Ensemble für Freiluftkunst weltweit.
Bunt, fröhlich und unkonventionell
Bereits 2003 hatte sich eine Gruppe aus Galeristen zusammengetan, um neues Leben ins Quartier zu bringen. Sechs Jahre später sprang ein Immobilienentwickler auf. Er kaufte sechs Lagerhäuser und lud 70 Künstler ein, die Wände zu bemalen. Bunt geht es seither zu und fröhlich unkonventionell, allerdings keineswegs unpolitisch.
In den Lagerbaracken sind Restaurants und Galerien eingezogen. Im Jahr 2015 wurde ein Garten mit Skulpturen und bemalten Rolltoren eröffnet, 2016 eine Galerie. In der Nachbarschaft hoffen lokale Sprayer mit großflächigen Bildern darauf, entdeckt zu werden. Kunst-Business und Straßenkunst gehen nahtlos ineinander über.
Jenseits des Hafens lohnt am Ocean Drive nicht nur ein Blick auf den Strand. Wo einst Sumpfratten und Moskitos hausten, hatte ein Automobil-Millionär ein Jahrhundert zuvor ein Urlaubsdomizil für die Mittelschicht in den Matsch gestellt.
Auf Rundgängen werden Urlaubsträume der 30er-Jahre lebendig: Wegen fehlender Fahrstühle gibt es höchstens dreistöckige Häuser, oft wie ein Schiffsbug gestaltet, mit Leuchttürmen, Fenstern und gliedernden Schmuckornamenten, viele in warmen Pastellfarben. Julie Fomarg, Rentnerin in Sandalen, Leggins und Wollpullover führt in einige Hotellobbys zu Marmor-Imitaten und Scheinkaminen. „Die sollten den Arbeitern Glanz und Status vorgaukeln – selbst in Südflorida“, erklärt sie. Für Wohlbehagen sorgten Bilder von Flamingos in den Everglades. Die gibt es dort gar nicht. „Egal“, sagt Fomarg, „hier ist sowieso alles künstlich – von den Palmen bis zum Strand.“ Der Sand komme von den Bahamas.
Dalis Schätze im Glas-Beton-Bau
Andere Kunst gibt es ausgerechnet in der Mittelschicht-Urlaubshochburg St. Petersburg. Dort hat eine der größten Sammlungen Salvador Dalis ihre Heimat gefunden. In einem spektakulären Glas-Beton-Neubau von Yann Weymouth können Besucher rund um ein schneckenförmiges Treppenhaus anhand von Landschaftsbildern, Stillleben und Porträts Dalis Entwicklung vom Kunstschüler zum gefeierten Surrealisten nachvollziehen.
Acht der 18 großen Werke des Spaniers hängen hier, nachdem das Industriellen-Ehepaar Morse – über vier Jahrzehnte lang Förderer des Künstlers – seine umfangreiche Sammlung 1982 der Stadt überlassen hatte. Die Stifter hatten landesweit gesucht – von New York bis San Francisco. Aber keines der ‧renommierten Museen hatte sich zugetraut, die 2.140 Werke angemessen zu präsentieren.