USA

Wo die Kennedys wohnen

Grün und idyllisch präsentiert sich Cape Cod zum Beispiel in Falmouth. Foto: hs

Cape Cod: An den Sandstränden der Ostküste geht es ums Sehen und Gesehenwerden

Im Sommer wird es voll in den Gassen von Provincetown

Der Atlantik kam irgendwann im Frühjahr ein letztes Mal zum Aufräumen, hat bis in die Dünen hineingefaucht, den Strandsand neu sortiert und mitgenommen, was nicht dorthin gehörte oder was er gerade haben wollte – manchmal ein Stück Straße, eine vorlaut Richtung Meer gebaute Terrasse oder ein halbes Ferienhaus. Im Frühsommer schaute er noch mal nach, wischte den Sand, kontrollierte, ob die Boote im Hafen von Hyannis gut vertäut sind – und gibt fortan fast immer für ein paar Monate Ruhe.

Als ob es eine ewige Absprache zwischen Natur und Anwohnern, zwischen Meeresgott und Tourismusverantwortlichen gibt: Von Ende Mai an gehören die Sandstrände von Cape Cod an der Ostflanke der USA den Urlaubern. 

Wie ein angewinkelter Arm im Meer

Und von einem Tag auf den anderen sind die Bootsbesitzer wieder da, gleiten ihre Yachten einmal mehr draußen in der Bucht, sind Cafés geöffnet und Terrassen bewirtschaftet. Der Sommer ist zurück am „Kabeljau-Kap“ von Massachusetts, das die ersten Siedler aus Europa wegen des Fischreichtums der vorgelagerten Fanggründe vor über 400 Jahren so tauften. Genau 82 Kilometer sind es von Boston bis zur Westspitze dieser Halbinsel, die sich L-förmig wie ein angewinkelter Arm in den Atlantik reckt. Fast 200 Kilometer sind es von der Neuengland-Metropole bis Provincetown an der Spitze von Cape Cod. 

Die Landzunge ist bevorzugte Sommerfrische vieler Bostonians, ist das „Sylt der US-Ostküste“. Wer es sich leisten kann, besitzt eine Ferienhaus aus Holz, das sich an der Landstraße zwischen Falmouth, Orleans und Provincetown unter Kiefern und Pinien duckt. Je näher es am Meer steht, desto größer fällt das Haus aus. Von ein paar Prominenten weiß man, dass sie regelmäßig hierher kommen und oft auch eigene Häuser auf dem Cape besitzen – von Mariah Carey und CNN-Gründer Ted Turner, von Robert Redford und Barbra Streisand. Und ganz besonders vom Kennedy-Clan, der in Hyannisport Hof hält und so etwas wie die Königsfamilie des Capes ist.

Diesen Morgen überholt ein Mann mit freiem Oberkörper, knapper Hose und Plastik-Rotor auf der Baseballkappe einen anderen im Mickey-Maus-T-Shirt mit Fahnenstange und flatterndem Sternenbanner am Gepäckträger. Beide sind sie per Fahrrad unterwegs, strampeln von Provincetown Richtung Dünenstrand – und passen an diesem Zipfel der Landzunge ins Bild. Beiden geht es darum, möglichst aufzufallen. 

Gay-Hochburg Provincetown

Der Ort versinnbildlicht die Gegenbewegung zum restlichen Cape mit der stillen Natur, ist stattdessen schrill, laut, beifallheischend, ein bisschen ums Provozieren bemüht. Provincetown ist die Ostküsten-Bühne gleichgeschlechtlicher Paare, die sich hier zum von niemandem organisierten Schaulaufen treffen. Rot werden dabei nur noch die zahlreichen Hummer auf den Tellern der Restaurants.

 Urlauber hocken mittendrin und schauen sich die regenbogenbunte Alltagsinszenierung an: That’s Provincetown. Die Show dauert den ganzen Sommer und kostet keinen Cent Eintritt. Manchmal jedoch gibt es Parkplatznot am Bühnenrand.

Helge Sobik
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