USA

Abtauchen mit Wonneproppen

Auf einer Schnorchel-Tour bei 22 Grad Wassertemperatur trifft man viele Manatees hautnah

Auf einer Schnorchel-Tour bei 22 Grad Wassertemperatur trifft man viele Manatees hautnah. Foto: pclark2 / iStockphotoi

USA: Nicht nur Rentner überwintern in Florida, auch Manatees lieben den Sunshine State

Im Fluss Crystal River döst die Mama, das Jungtier schnappt kurz Luft

Im Fluss Crystal River döst die Mama, das Jungtier schnappt kurz Luft. Foto: ah

Sogar die Briefkästen sind im Ort Crystal River auf Manatee getrimmt

Sogar die Briefkästen sind im Ort Crystal River auf Manatee getrimmt. Foto: ah

Es ist der kälteste Tag seit vier Jahren in Florida. Um 7.30 Uhr morgens herrschen vier Grad, der Bootssteg ist mit Raureif bedeckt. Für Außenstehende ist unser Anblick amüsant: Flipflops, Neoprenanzug und Winterjacke. Was heute ansteht? Schwimmen mit den Manatees.

8.000 Manatees, auch als Seekühe bekannt, leben im Golf von Mexiko und Atlantik. Ihre nordamerikanische Population erstreckt sich im Sommer von Texas bis nach South Carolina im Osten. Ab November wird es den rundlichen Wonneproppen, die etwa 550 Kilo wiegen, in den Meeren zu kalt. Dann beziehen sie ihr Winterquartier in Florida. Fündig werden die Manatees im Mündungsbereich des Flusses Crystal River. Der gleichnamige Ort liegt 90 Minuten nördlich von Tampa. Die Bewohner leben gut vom Seekuh-Geschäft und nennen ihr Städtchen „Manatee Capital of the World“.

In der King's Bay warten bereits Hunderte Manatees

Wir besteigen unser Boot und tuckern hinaus in die King’s Bay, wo Hunderte Manatees warten. An Bord verteilt der Guide Schnorchel und Taucherbrille. Im Mündungsbereich, bevor der Crystal River in den Golf von Mexiko mündet, erwärmt sich das Wasser auf 22 Grad – ideal für Manatees. Deshalb ist Crystal River einer der weltweiten Hotspots für Seekühe.

Mitten in der King’s Bay gehen wir vor Anker und hüpfen bei mittlerweile sechs Grad in den Golf von Mexiko. Kaum überraschend ist es im Wasser wärmer als auf dem zugigen Boot. Das Wasser ist zwar trüb, trotzdem sehen wir nur zwei Meter von uns entfernt ein Manatee-Weibchen. Es knabbert seelenruhig an einem Büschel Seegras.

Manatees sind gutmütig und lieben küstennahe Gewässer

Manatees lieben küstennahe Gewässer. Das wird ihnen häufig zum Verhängnis. Immer wieder werden die behäbigen Tiere durch über sie fahrende Boote und deren Schiffsschrauben verletzt. Deshalb errichten die Behörden Schutzzonen rund um den warmen Oberlauf des Crystal Rivers im Winter, wenn die Seekuh-Population auf mehr als 400 Tiere steigt. Dann ist dort Schiffs- und Kajakverkehr verboten, auch Menschen dürfen in den Zonen nicht schwimmen. Es drohen hohe Geldstrafen.

Jetzt blickt uns ein Manatee mit seinen Knopfaugen an und steuert gemächlich auf uns zu. Die drei Meter langen Säugetiere können nur schlecht sehen, sind aber sehr neugierig und feinfühlig. Experten berichten, dass Seekühe den Herzschlag der Menschen im Wasser spüren können. Erhöht sich dieser, schwimmen Manatees häufig zu den Schnorchlern, stupsen sie mit der Nasenspitze an, wie um ihnen zu sagen, es ist alles okay, du musst nicht nervös sein.

Viel Fressen und noch mehr Dösen

Manatees sind gutmütig und strikte Vegetarier, sie haben keine natürlichen Feinde, dafür sind sie immer hungrig und verputzen 60 Kilo Seegras am Tag. Ab und an darf es auch mal ein Mangrovenblatt sein. Neben Essen verbringen Manatees viel Zeit mit Dösen. Von Durchschlafen kann aber keine Rede sein. Als Säugetier tauchen sie spätestens alle 20 Minuten auf und holen Luft. Dabei blitzt nur ihre Nase kurz über der Wasseroberfläche auf.

Wir treffen während des Schnorcheltrips ein Dutzend Manatees. Und fast alle stupsen uns an. Durchgefroren, aber glücklich besteigen wir wieder das Boot, wo unser Skipper mit Kakao und Tee wartet. Wir winken den Manatees zum Abschied zu und schälen uns aus den Neoprenanzügen. Wenn es im Frühjahr wärmer wird, verlassen viele Manatees Crystal River und verteilen sich an den Küsten der USA. Trotzdem gibt es eine kleine Gemeinde von Crystal-River-Fans unter den Seekühen.

Und so haben Touristen auch im Sommer Gelegenheit, die Wonneproppen in freier Wildbahn zu besuchen. Allerdings sind in dieser Zeit nur rund 50 Manatees rund um Crystal River anzutreffen.

   

Unterwegs in Crystal River

Mehr als zehntausend Touristen besuchen jährlich Crystal River. Beliebt sind Schnorchel-Touren mit Seekühen. Im Naturpark Three Sisters Springs kann man die Tiere vom Trockenen aus beobachten. Ein Bohlenweg führt entlang des Crystal Rivers, gibt Einblicke auf Manatees und ihre Jungtiere. Nach einer frühmorgendlichen Schnorchel-Tour lohnt ein spätes Frühstück im Cafe Amy’s on the Avenue. Eine Übernachtungsmöglichkeit ist die King’s Bay Lodge – ein Retro-Motel mit gemütlichen Zimmern und eigener Küche.

Arne Hübner