Chicago kann mit den klassischen Touristenmetropolen der USA locker mithalten
Was der Guide, der mit Cowboyhut und Mikrofon am Bug der „First Lady“ steht und von der Rolle des Chicago River für die Stadt erzählt, gemeint hat, als er zu Beginn der Tour von Chicago als „Skyscraper Canyon“ sprach, liegt spätestens nach ein paar Minuten klar auf der Hand. Das Boot taucht unter einer niedrigen Brücke hindurch, über die sich der stockende Stadtverkehr schiebt, nach und nach kommen beidseits der Ufer erneut Hochhäuser vor dem blauen Himmel zum Vorschein, die sich in immer neuen Perspektiven fürs perfekte Erinnerungsfoto formieren.
Da wären zum Beispiel das ikonische, gut hundert Jahre alte Wrigley-Building, dessen Fassade von der Kathedrale von Sevilla inspiriert wurde, das gigantische The Merchandise Mart, das als einst größtes Gebäude der Welt eine eigene Postleitzahl bekam, der 527 Meter hohe Willis Tower, das zumindest vorerst höchste Gebäude der Stadt. Und mittendrin: der Fluss, der in einem nördlichen und einem südlichen Arm die Stadt durchzieht und an ihrer Ostseite auf den gigantischen Lake Michigan trifft.
Immer von oben oder unten
So tauglich eine Architecture Cruise, die inzwischen bei etlichen Anbietern mehrfach am Tag und wetterunabhängig auf dem Programm steht, auch ist: Es gibt etliche Alternativen für einen ersten Eindruck der Stadt. Der Ausblick aus der Panorama-Etage des 875 North Michigan Ave. etwa, das im 360 Chicago auf der 94. Etage die wohl höchste Bar der Stadt beheimatet, oder das zwar virtuelle, aber hochgradig abenteuerliche Flyover Chicago, das die Stadt per Flugsimulator erlebbar macht. Kaum weniger spektakulär ist eine kostenfreie Alternative: der Spaziergang auf dem bestens ausgeschilderten, zwei Kilometer langen River Walk.
Was auffällt: Die Stadt im US-Bundesstaat Illinois, wo 1885 der erste Wolkenkratzer der Welt fertiggestellt wurde, präsentiert sich eigentlich immer irgendwie aus der Frosch- oder Vogelperspektive und zieht einen damit binnen kürzester Zeit in ihren Bann.
Das zeigt auch der Versuch, Chicago bei einer Tour mit dem Anbieter Bobby’s Bike Hire per Rad zu erkunden. Knapp 21 Kilometer geht es durch die Häuserschluchten von Downtown Chicago, ein Stück durch den Lincoln Park, dann zum weltberühmten Baseballstadion Wrigley Field und am Ufer des Lake Michigan zurück Richtung Skyline, die man auf den letzten Kilometern selten aus den Augen lässt. Besonderheit der Radtour: Sie umfasst auch ein kleines Tasting-Programm durch die kulinarischen Spezialitäten der Stadt und bringt einem auf sehr eigene Weise ihre Bewohner näher.
Ketchup zum Hotdog verboten
Das beginnt beim Fankult um die Chicago Cubs beim Craft Beer Tasting in der wenige Schritte vom Stadion entfernten Bar Murphy’s Bleachers und endet bei der augenzwinkernd feindseligen Reaktion der Mitarbeiterin am Hotdog-Imbiss beim Versuch, dem Chicago Hotdog mit etwas Ketchup auf die Sprünge zu helfen. Regel Nummer eins in Chicago ist, so erklärt Stadtführerin Maeve, dass genau das nicht erlaubt ist und man sich besser mit Senf und Relish zufrieden gibt.
Danach geht’s für eine „Chicago Style Deep Dish Pizza“ zu Lou Malnati’s und für einen Brownie zum Pastry Shop Bittersweet, wo man zugleich erfährt, dass das Gebäck Ende des 19. Jahrhunderts hier in Chicago erfunden wurde. In Sachen spannender Fun Facts, die so ein Trip in die Stadt am Beginn der Route 66 zutage fördern kann, ist das aber erst der Anfang.
Allgegenwärtig ist dann vor allem die Erkenntnis, dass Chicago mit den klassischen Touristenmetropolen der USA wie New York City, Los Angeles, Miami problemlos mithalten kann und einem alle Möglichkeiten gibt, hier mehrere Tage zu verbringen, ohne dass es nur für einen Moment langweilig wird.