Chile

Chile: Diesmal ohne Puma

Blaues Wasser, zerklüftete Gipfel: Der Nationalpark Torres del Paine ist unverwechselbar

Wandern im Nationalpark Torres del Paine

Windfeste Jacke, Sonnenbrille und Mütze braucht man für den südlichsten Zipfel Chiles Fotos: jm

Dem Wind muss man sich entgegenstemmen. Leichtgewichte geraten da schnell in eine 45-Grad-Haltung gegen den Wind und wenn die Mütze nicht richtig sitzt, dann ist sie weg – für immer. Die patagonischen Stürme haben es in sich: Das gelbe Gras ist vertrocknet. Nicht weil es zu wenig Regen gäbe, sondern weil der Wind das Gras ausgetrocknet hat.  Es ist Frühlingsanfang im Nationalpark Torres del Paine. Dem Lago Sermiento sieht man seine drei Grad Temperatur an. Die Angus-Rinder tragen Winterfell, die Bergspitzen sind noch schneebedeckt. Und die grauen Wattewolken lassen kleine blaue Himmelslöcher erkennen, aber Bergführerin Sofia meint: „Die Sonne kommt noch durch!“ Pumasichtung wie ein Lottogewinn Seit acht Jahren arbeitet sie im Park und hat Hunderte von Wanderern rund um die Torres geführt, „aber nur achtmal habe ich einen Puma gesehen“. Wenn einer der 200.000 Besucher pro Jahr mal ein Tier sieht, „dann ist das wie ein Lottogewinn“. Zwischen Mai und September gibt es keine Pumasichtungen. Dann ist der Park geschlossen. Erst ab Oktober kommt mit der Frühlingssonne das Leben zurück. Und auch die Wanderer: Erfahrene machen den 160 Kilometer langen O-Circuit rund um die Torres in acht Tagen.  Sofia meint, dass man auf dem fünftägigen W-Trek beinahe alles sieht: Gletscher, Gipfel, glasklare Seen, eine Wunderwelt aus Wasserfällen, Sümpfen und Eisbergen.  Auf beiden Touren übernachtet man in Zelten und Schutzhütten. Doch auch Tageswanderer kommen auf ihre Kosten und erleben die prachtvolle Bergwelt, das launische Wetter und herrliche W-Lan-freie Stunden.  Die acht Grad fühlen sich bei dem Wind wie Minusgrade an. Dem Condor gefällt’s: Mit drei Metern Spannweite segelt er über uns, um Ausschau nach Aas zu halten. Reste, die ein Puma übrig ließ? Sofia bremst alle Hoffnungen: „Ein Condor kann zwölf Tage lang ohne Fressen sein.“ Der Nationalpark Torres del Paine gehört geologisch nicht zu den Anden „und ist noch in Arbeit“, wie Sofia meint. Während die Anden 80 Millionen Jahre alt sind, sind die Torres mit 13 Millionen noch Berg-Teenager.  Beim Blick über die Seen zu den Bergen, den Cuernos, also den Hörnern, erklärt Sofia den Namen: „Er geht auf die drei Granitberge zurück und heißt in der Sprache der Tehuelche-Indianer Türme des blauen Himmels“. Türme, die diesen Teenie-Park zum Weltnaturerbe gemacht haben.
Jochen Müssig