Tunesien

Wo Churchill seine Memoiren schrieb

Blick durch das Fenster eines Modegeschäfts in die Altstadt von Hammamet. Tunesische Souvenirs in der Medina von Hammamet. Fotos: cb

Hammamet: Streifzug von der Medina zum Garten des Millionärs Georges Sebastian

Das tunesische Hammamet hat viele auf alt getrimmt Ecken zu bieten, die erst im Laufe der vergangenen Jahre entstanden sind. Wer authentische Geschichte sucht, wird im beliebtesten Badeort des nordafrikanischen Landes aber dennoch fündig.

Beispielsweise in der nur 200 mal 200 Meter kleinen Altstadt direkt neben der Kasbah, deren Ursprünge bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen. Später diente die Stadt Korsaren als Stützpunkt, weswegen sie mehrfach von der spanischen Flotte angegriffen wurde.

Ein Spaziergang durch die schmalen Gassen hinter den hohen Mauern der Medina lohnt sich. Zwar wimmelt es auch hier von Souvenirgeschäften. Aber das Flair jenes Fischerortes, der schon die Maler Paul Klee und August Macke sowie die Schriftsteller Guy de Maupassant und Oscar Wilde anzog, hat sich zum Teil bis heute erhalten. Der einfachste Weg in die Altstadt führt durch das Café neben der Meerjungfrauen-Statue am Strand der Halbinsel.

Die Schönheit liegt dabei oft im Detail: Fliesen mit Blumenmotiven fassen ein glasloses Fenster ein, dessen schmiedeeisernes Gitter hellblau gestrichen ist. Ein Dromedar ziert einen Briefkasten, eine Mühlsteine drehende Frau und eine Meerjungfrau schmücken Hauswände. Ein paar Schritte weiter folgt mehrfach der Schriftzug „Hammamet“ mit stilisierten Händen. Fast ausnahmslos in hellem Blau gestrichen, setzen sich Türen, Fensterläden und Balkongitter von den weißen Hauswänden ab.

Nicht umsonst gelten Weiß und Blau als Farben der Stadt. Entsprechend gefragt sind Miniaturen von bunten Türen als Urlaubsmitbringsel. Läden in der Medina offerieren aber auch Gewürze, Keramik, Teppiche. Nicht zu übersehen ist auch die mitunter hochwertige Mode.

Wer vom alten Hammamet noch nicht genug hat, fährt drei Kilometer weiter in die südliche Hotelzone, Richtung Yasmine. Dort lockt die einstige Villa von Georges Sebastian als Oase der Ruhe inmitten eines botanischen Gartens.

Der rumänische Millionär ließ sie 1926 nach Plänen eines sizilianischen Architekten im andalusischen Stil mit Jugendstil-Elementen von einem tunesischen Bauunternehmer errichten. US-Architekt Frank Lloyd Wright pries sie als „das schönste Haus, das ich kenne“. Der deutsche Feldmarschall Erwin Rommel nutzte das Gebäude im Zweiten Weltkrieg als Hauptquartier, der siegreiche Briten-Premier Sir Winston Churchill schrieb dort seine Memoiren.

Seit 1962 befindet sich das Anwesen als internationales Kulturzentrum in Staatsbesitz. Davon zeugen wechselnde Kunstausstellungen, aber auch das weltgrößte Emaille-Fresko „Tunesien im Wandel der Zeit“ von Habib Blel. In der Villa mit dem arkadengesäumten Marmorschwimmbad und der schwarzen Badewanne ist ein Café untergebracht. Bis zum Strand erstreckt sich der botanische Garten mit über 300 Pflanzenarten, darunter vielen Zitrusfrüchten. Ein kleines Ökomuseum zeigt vor allem landwirtschaftliches Gerät. Im Amphitheater findet seit 1964 jährlich im Sommer Hammamets Internationales Kulturfestival statt.
Christian Boergen