Usbekistan

Steppe, Seide, Schelmenstreiche

Monumentale Wucht, die sprachlos macht: eine Medrese - Koranschule - in Buchara.

Usbekistan: Mit dem Lernidee-Sonderzug "Registan" durch das zentralasiatische Land

Viele Koranschulen beherbergen heute Künstlerateliers statt fromme Sprösslinge.

Das Samaniden-Mausoleum in Buchara stammt aus dem frühen 10. Jahrhundert.

Offenkundige Gastfreundschaft: usbekische Frauen in Trachten-Kleidung.

Vor dem Fenster ziehen Baumwollfelder und Fabrikruinen vorbei. Obstplantagen, Bauern auf Eselskarren und staubige Steppe, gerahmt von Vorhängen mit Troddeln. Das Aladin-Abteil ist angenehm temperiert und plüschig ausstaffiert: roter Samt, Messingverzierungen, flauschige Kissen für den Rücken. Gemütlich schuckelt der Sonderzug Registan von Samarkand nach Taschkent, letzte Etappe einer Infotour von Lernidee Erlebnisreisen durch Usbekistan. Die Bordinfo schweigt, Zeit für eine Revue der vergangenen Tage.

Die Gruppe deutscher Touristiker hat ihre Rundreise in Taschkent begonnen. Ein Erdbeben schüttelte die usbekische Hauptstadt 1966 heftig, die dominierende 70er-Jahre-Architektur erinnert an die Sowjetzeit und nicht an die sagenumwobene Seidenstraße. Das Epizentrum des Bebens wurde mit einem klobigen Denkmal markiert, das eine usbekische Familie zeigt.

Auch im neuen Zentrum von Taschkent protzt ein Standbild: Timur Lenk, hoch zu Ross. Seit der Unabhängigkeit Usbekistans 1991 gilt der Eroberer als Nationalheld, obwohl er als drakonischer Herrscher in der Geschichte steht. Der reitende Timur hat den Platz der Statuen von Marx und Engels eingenommen, was den Selbstfindungsprozess der Usbeken zwischen sowjetischer Erblast und orientalischer Kultur illustriert.

Gegenwärtig ist die Rolle des starken Mannes von Staatschef Islam Karimow besetzt, vom Ausland scharf kritisiert wegen seiner autokratischen Machenschaften. „Usbekistan ist noch immer auf der Suche nach einer eigenen Identität“, sagt Reiseführerin Muslima.

Nach 620 Kilometern und sieben Stunden mit der Linienbahn "Sharq", dem usbekischen Orient-Express, treffen die Teilnehmer in Buchara ein. In der Wüstenstadt, nahe der Grenze zu Turkmenistan, erkennt man einen Grund für die Heroisierung Timurs: Buchara wurde von dem Tyrannen im 14. Jahrhundert mit prächtigen Bauwerken veredelt – glasierte Ziegeln, Mosaike, verschwenderische Vergoldungen.

Mehr als 150 Monumente, autofreie Zonen und massenhaft Souvenir-Stände machen Buchara zum Rothenburg ob der Tauber von Usbekistan. Viele Koranschulen beherbergen heute Künstlerateliers statt fromme Sprösslinge. In den Zellen der Studenten werden Koranständer geschnitzt, Teppiche geknüpft und federleichte Seidenschals verkauft.

Im Herbst, neben April und Mai die beste Reisezeit, blüht der Tourismus in dem Sightseeing-Schlaraffenland. Am Labi-Hauz-Platz begegnen sich Reisende aus Europa. Hodscha Nasreddin, dem „Till Eulenspiegel“ des Orients, ist hier ein Denkmal gesetzt. Nach der usbekischen Überlieferung war der Schelm auch so frei, über Timur Lenk (der „Lahme“) zu scherzen.

Vor dem Zugfenster passiert gerade nicht viel. Gelegenheit für eine Registan-Inspektion. Es gibt zwei Speisewagen im Nostalgieschick und vier Abteilklassen, die sich mit Namen wie Aladin und Kalif an den Märchen aus Tausendundeiner Nacht orientieren. Zudem ist – wie bei allen Lernidee-Sonderzugreisen – ein Arzt an Bord.

Obwohl der Berliner Veranstalter die 4.634 Kilometer lange Registan-Route schon seit mehreren Jahren im Programm führt, bleiben Herausforderungen wie die teils langwierige Visa-Beschaffung sowie begrenzte Hotel- und Buskapazitäten. Dennoch wurde der neue Lufthansa-Flug von München nach Taschkent zum Anlass genommen, das Angebot auszubauen (siehe Kasten).

In Buchara taucht die Lernidee-Gruppe noch in die dampfenden Gewölbe eines traditionellen Hamams ein: abschrubben, einschäumen, abschrubben, Massage, an grünem Tee nippen, Rosinen picken, und danach in ein Restaurant zum „Plov“-Essen, wie das Nationalgericht aus Reis, Möhren, Zwiebeln und Hammelfleisch heißt. Dazu wird der obligatorische Wodka gekippt: „Das ist Arzneimedizin und desinfiziert den Magen“, versichert Muslima.

Nächste Station: Samarkand, einst Verkehrsknotenpunkt der Seidenstraße. In der kulissenhaften Gräberstadt Shohizinda mit Mausoleen und Moscheen fühlt sich der Besucher klein und auf dem Registan-Platz nichtig: So viel Prunk macht ehrfürchtig.

Auf dem Rückweg nach Taschkent steigt Nurlan Mukash zu, bei Lernidee zuständig für Zentralasien. Er will noch weiter in den Norden, neue Strecken ausspähen im Sinne der Pioniergeist-Philosophie: Wie weit führen die Schienen an den Aralsee?

Pilar Aschenbach

 

Usbekistan bei Lernidee Erlebnisreisen
Im Prospekt „Sonderzugreise Registan“ für 2011 bietet Lernidee Erlebnisreisen erstmals eine 11-tägige Reise durch Usbekistan an. Die Teilnehmer sind sowohl mit dem Registan als auch mit Linienzügen unterwegs. Außerdem im Programm ist eine 14-tägige Sonderzugreise von Turkmenistan über Usbekistan nach Kasachstan, die auch in umgekehrter Richtung angetreten werden kann. Flugpartner ist Lufthansa, die in Kooperation mit Privat Air einen Nonstop-Dienst von München nach Taschkent anbietet. Flugtage sind Dienstag und Freitag.