Taiwan

Götter wollen unterhalten werden

Zigtausende Feierlichkeiten finden rund ums Jahr in Taiwan statt.

Bei traditionellen Festen geht es laut und bunt zu

Selbst bei Beerdigungen geht es ausgelassen zu. Fotos: fh

Dick geschminkt, die Haare in einem fetten Knoten nach oben gebunden, tanzen sie auf der Dorfstraße: Hunderte von Tigern, kaiserlichen Beamten, Löwenbändigern und Dämonenfängern, allesamt in schimmernden, bunt bestickten Gewändern, auf dem Kopf mit Bommeln, falschen Edelsteinen und gewagten Turmkonstruktionen geschmückt. Jedes Kostüm ein Unikat - und eine wahre Farbenorgie, die sich in der gleißenden taiwanischen Sonne eher unwirklich ausnimmt.

Drumherum drängen sich die Dorfbewohner, mit einem selbst gebrannten Frühschoppen vorgewärmt. Mehrere Ghettoblaster sorgen für den passenden Rhythmus, wenn auch nicht alle mit dem gleichen Lied. Nur weil hier einer Gottheit gehuldigt wird, so der allgemeine Konsens, muss man ja die Stimmung nicht in den Keller rutschen lassen. Hauptsache "renao", "laut und heiß", lautet das Motto.

Rund ums Jahr finden in Taiwan Hunderte solcher Prozessionen und Feierlichkeiten statt - die zahllosen kleinen, regionalen Veranstaltungen, die es niemals bis auf die internationalen Web-Seiten schaffen, gar nicht mitgerechnet. Schuld daran ist der Daoismus. Eine schier unübersichtliche Zahl an Göttern tummelt sich dort im Pantheon. 10.000 seien es, heißt es hin und wieder, was jedoch schlicht auf einem Missverständnis beruht: Die Zahl "wan" kann sowohl mit "zehntausend" als auch "unendlich viel" übersetzt werden.

Woher sie stammen, ist eher nebensächlich, solange sie ihren Job erledigen. Manch ein Gott arbeitet sich mühsam hoch und glänzt mit guten Leistungen. Bei anderen weiß niemand so genau, wofür sie eigentlich gut sind und wieso sie einen so hohen Posten besetzen. Manche erweisen sich sogar als fehl am Platze und fliegen hochkant raus. Wie in der irdischen Verwaltung gibt es Lokalmatadore, deren Macht im Dorf groß ist, aber nicht weit über dessen Grenzen hinausreicht.

Eines haben sie jedoch gemein: Sie mögen es, wenn man ihnen huldigt. Rund 30.000 Tempel gibt es daher in Taiwan - und fast genauso viele Feierlichkeiten. Unbeschadet von politischen Kampagnen oder religiösen Verboten haben sich in Taiwan all die alten Traditionen erhalten, die jedem Touristen vor Freude die Knie schwach werden lassen.

Selbst Beerdigungen sind eine rundum spannende und oft auch ausgelassene Angelegenheit: Je lauter und wilder es dabei zugeht, umso leichter fällt es dem Toten, ins Jenseits einzugehen. "Electric Flower Cars" mit tanzenden Stripperinnen und Sängerinnen sind in ländlichen Gegenden Südtaiwans oft Teil der Beerdigungsfeierlichkeiten. Die niedrigen Götter wollen schließlich auch unterhalten werden und können sich dann, gut gelaunt, gleich auch für den Verstorbenen einsetzen.

Die wahrscheinlich wichtigste Gottheit ist jedoch Mazu (auch als Tianhou oder Tin Hau bekannt). Was ziemlich logisch erscheint in einem Inselstaat wie Taiwan, denn sie ist die Schutzgöttin der Seeleute und Fischer. Fünf Millionen Teilnehmer zählte das Mazu Festival von Taichung im März 2013, eine jährlich wiederkehrende neuntägige Party zu Ehren von Mazus Geburtstag, während der ihre Statue rund 300 Kilometer längs durch Taiwan getragen wird.

Wer glaubt, dies ließe sich nicht übertreffen, war noch nicht zu Chinesisch Neujahr in Taiwan unterwegs. Jedes Jahr wechseln sich die Großstädte ab und richten zum Laternenfest, dem offiziellen Ende der Feierperiode, ‧einen gigantischen Jahrmarkt der Lichter samt Mega-Feuerwerk aus. Am 14. Februar 2014 ist die Stadt Nantou an der Reihe - für europäische Reisende ein echter Geheimtipp.

Für den Rest des Jahres zeigt die Homepage http://eng.taiwan.net.tw (weiter unter "Festivals"), welche Großereignisse sonst noch locken.
Françoise Hauser
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