Japan

Shinkansen: Japans schnellste Attraktion

Die Fahrt mit den Hochgeschwindigkeitszügen gehört zu jeder Japan-Reise – warum eigentlich?

Ein bisschen zehrt der Ruf der japanischen Hochgeschwindigkeitszüge aus der Historie: In Japan flitzten die schnellen Züge schon ab 1964 zwischen Tokio und Osaka hin und her, als man in Deutschland noch per „Schnellzug“ durchs Land zuckelte und der IC oder gar der ICE noch in weiter Ferne lagen. Doch die reine Geschwindigkeit – mit bis zu 320 Stundenkilometern in der Tat ziemlich beeindruckend – ist nur ein Teil der Faszination, die der Shinkansen hervorruft.
Auf Sekunde und Zentimeter genau
Es sind die kleinen Service-Extras und die unglaubliche Pünktlichkeit, die westliche Reisende leise aufseufzen und europäische Zuggesellschaften schon fast dilettantisch aussehen lassen: Die durchschnittliche jährliche Verspätung pro Shinkansen-Zug beträgt spektakuläre 0,9 Minuten.
Doch wie schaffen das die Japaner? Zum einen rauscht der Shinkansen auf einem eigenen Schienennetzwerk durchs Land. Anders als die deutschen ICE-Züge beispielsweise, die hier und da hinter einem langsameren Zug feststecken, sind die Shinkansen also nie von anderen Zügen abhängig. Zum anderen verlaufen die Strecken oft auf Viadukten über der Landschaft, Störungen sind daher extrem unwahrscheinlich.
Auch das verhasste „Der Zug fährt heute in umgekehrter Wagenreihung ein“ ist in Japan praktisch undenkbar: Shinkansen halten in jedem Bahnhof auf den Zentimeter genau – und die Passagiere haben sich längst an der richtigen Stelle aufgereiht. Genauso unmöglich ist es allerdings auch, sich schnell mal zum Sitzplatz durchzudrängeln: Die Waggon-Nummern sind auf dem Bahnsteig aufgemalt, zusammen mit einer genauen „Einstiegslinie“, an der sich die Passagiere mit Sitzplätzen in diesem Waggon aufstellen sollen. Wer dagegen verstößt, erntet böse Blicke – was für ein Rüpel!
Rund 3.000 Kilometer Hochgeschwindigkeitsstrecken gibt es derzeit in Japan, die von der Nordinsel Hokkaido bis an die Südspitze Japans reichen. Inlandsflüge braucht der Reisende in Japan eigentlich nur noch für die wirklich großen Distanzen oder als Anschluss an den Langstreckenflug. Die 825 Kilometer von Hakodate nach Tokio schafft der Shinkansen beispielsweise in etwas mehr als vier Stunden, von Tokio nach Kyoto sind es nur etwas mehr als zwei Stunden.
Kein Wunder, dass der Shinkansen nicht nur in Japan eingesetzt wird: Der taiwanesische Highspeed Rail beispielsweise ist ihm nachempfunden. Beide sind übrigens Erdbebenländer. Auf den ersten Blick passt das nicht wirklich zu Hochgeschwindigkeitszügen, doch auch das ist technisch längst gelöst. Sobald die Seismometer der Bahnbetreibergesellschaft Erschütterungen registrieren, senden sie automatisch Notbremssignale aus. Dies geschah auch am 11. März 2011, als das große Tohoku-Erdbeben den Norden Honshus erschütterte. Rund zwölf Sekunden, bevor das Erdbeben der Stärke 9 die Strecken erreichte, wurden alle Züge angehalten.
Jedes Kind kennt die Modelle
Und so haben die Shinkansen auch in Japan selbst Kultstatus. Hikari, Nozomi, Yamabiko, Komachi, Hayabusa – jedes japanische Kind kann die verschiedenen Modelle auseinanderhalten und die Geschwindigkeiten herunterleiern, die Zeitschriften- und Buchläden sind voll von Shinkansen-‧Literatur. Hier und da landen sie auch in der Einkaufstasche erwachsener Zug-Fans – und der Touristen.
Francoise Hauser