Dänemark

Geduld wie ein Austernfischer

Wattwanderung auf Mando.

Die Nordseeinsel Mando bietet wenig Zerstreuung, aber viel Natur

Die Mando Molle, eine Windmühle aus dem 19. Jahrhundert. Fotos: heu

Es ist fast wie in einer Großstadt: Wer von Vester Vedsted auf die Insel Mando fährt, hat die Wahl zwischen der rot-blauen Linie und der grünen Linie. Doch die beiden Verbindungen sind keine U-Bahn-Strecken. Nein, Traktoren mit Hänger sind im Angebot, wahlweise in rot-blau oder grün. Auch die Strecke variiert nicht sonderlich. Es gibt zwei "Straßen" zur Auswahl. Beide verlaufen in die gleiche Richtung, ihr Abstand liegt bei rund 100 Metern.

Welcher der beiden Wege befahren werden kann, liegt jedoch nicht an der Frage "rot-blau" oder "grün". Viel wichtiger für diese Entscheidung sind die Gezeiten sowie die Windstärke. Wobei die weiter südlich gelegene Trasse, der Ebbevej, ausschließlich von den Traktorbussen befahren werden kann, während der Laningsvej bei Niedrigwasser auch für Autos geeignet ist.

Mando ist die kleinste und ruhigste der drei bewohnten dänischen Nordseeinseln Mando, Romo und Fano. Auf Mando ist weder Kurbetrieb noch Party angesagt, dafür gibt es Natur pur. Doch auch, wenn die Insel rundum vom Wattenmeer umgeben ist: Wer sich auskennt findet auf der Westseite der Insel sogar einen Badestrand. "Baden sollte man aber nur, wenn das Wasser ansteigt, denn wenn die Ebbe im Anmarsch ist, treibt man schnell aufs offene Meer", berichtet Klaus Melbye. Er ist Leiter des Wattenmeer-Zentrums in Vester Vedsted auf dem dänischen Festland - und wenn er nicht gerade Bürodienst hat, neue Ausstellungen konzipiert oder mit Besuchern auf Austern- oder Seehundsafari geht, dann leitet er Exkursionen durch das Wattenmeer.

Und das besteht keineswegs nur aus Schlamm und Schlick, sondern ist quicklebendig. Auch die kleinen weißen Krebse, die auf den ersten Blick wie Skelette aussehen, sind nicht tot. Die Tiere sind gewachsen und haben ihren alten Panzer abgestreift. "Das passiert ungefähr 15 bis 17 Mal pro Jahr", weiß Melbye, der einen der abgeworfenen Panzer aufgehoben hat.

Melbye führte vor etlichen Jahren auch die dänische Königin Margarethe II. nach Mando. Mehrere Stunden lang zeigte er ihr die Besonderheiten der Natur und erläuterte ihr dabei auch, wie schwer es die Austernfischer haben, ihre Brut großzuziehen. "Es kann bis zu 15 Jahre dauern, bis es einem Austernfischer gelingt, seine Eier auszubrüten. Diese Vögel legen zwar mehrmals im Jahr Eier, aber wenn das Meer stärker ansteigt als normal, spülen die Wellen die Eier immer wieder weg", erklärte Melbye. Geduld wie ein Austernfischer müsse man haben im Leben, sprach darauf die Königin.

Wattwandern, manchmal mit Gummistiefeln, manchmal mit Gummihose, ist eine gute Möglichkeit, die Insel Mando kennen zu lernen. Doch wer die Abgeschiedenheit des Mini-Eilands, auf dem nur gut dreißig Menschen wohnen, wirklich erleben will, der sollte sich in einem Apartment oder einem Ferienhaus einquartieren. Viel Abwechslung freilich darf ein Besucher nicht erwarten. Mit etwas Glück hat der Inselkiosk nachmittags geöffnet - und man kann dort einkaufen. Zerstreuung gibt es wenig - eine kleine Windmühle kann besichtigt werden, die Inselkirche lohnt einen Besuch und ein altehrwürdiges Kapitänshaus beherbergt ein kleines Inselmuseum.

Die eigentliche Attraktion jedoch ist das Landschaft und das Wattenmeer. Wer durchs Watt wandern will, macht dies am besten im Rahmen einer Führung. Oder erkundigt sich im Vorfeld, welche Gebiete betreten werden dürfen und wo man die Vögel auf keinen Fall stören sollte.
Rainer Heubeck