Slowakei

Begleitet von Türmen und Hörnern

Berge und Naturschauspiele in der Niederen Tatra präsentieren sich oft deutlich einsamer als ...

Zum Bergwandern in der Niederen Tatra

... in der Hohen Tatra. Fotos: jm

Unverdrossen stapft Pavel Beranek seit einer Stunde durch die Nebelschwaden. Keine Berge sind zu sehen, keine Sonne, kein Weg. Aber er weiß genau, wohin es geht: nach Durkova Chata auf 1.700 Metern Höhe. Beranek ist Sherpa. Auf seinem Kopf stapeln sich Kisten, Körbe und Säcke zu einem mannshohen, fast 65 Kilogramm schweren Turm. Schnaps transportiert er darin, Wasserflaschen, Holzscheite, Zigaretten, Knödel, Kekse, Schokolade, Reis – eben beinahe alles, was der erschöpfte Hüttengast nach einer mehrstündigen Bergwanderung so braucht.

Ab tausend Höhenmetern hat der 24-Jährige freie Sicht: Auf einer Wiese unterhalb des Grats erkennt er Durkova Chata, eine kleine Hütte mit einem Ofenrohr, das wie ein Stummel aus einer Steinmauer ragt. Für das Liefern der Ware dort erhält er 20 Cent pro Kilogramm. Ein Zubrot zum Studium, was aber noch wichtiger ist: Pavel liebt die Tatra. „Beim Gehen in den Bergen fühlt man etwas Großartiges“, sagt er.

Das grüne, von Dörfern gesprenkelte Waag-Becken trennt die Niedere von der Hohen Tatra. Über 200.000 Hektar dehnt sich der Nationalpark der Niederen Tatra aus. Mit dem höchsten Punkt auf 2.043 Metern ist sie etwas niedriger geraten als ihr Schwestergebirge, dafür fehlt hier auch der große Rummel. In zwei bis drei Tagen könnte man die Niedere Tatra zu Fuß durchqueren. Doch langsamer ist schöner.

Abgesehen von Murmeltieren, einem Meteorologen, viel Enzian und Edelweiß sowie – mit etwas Glück – einem Braunbären begegnet man beim Wandern niemandem. Allein der Ausblick auf die Türme, Hörner und Rücken der Hohen Tatra, die wie steingewordene Palisaden in den Himmel ragen, ist umwerfend. In der Niederen Tatra hat man die Hohe Tatra eben ganz für sich alleine.

Durkova Chata ist ein Einmannbetrieb mit Matratzen‧lager, einer kleinen Stube und einer rußgeschwärzten Küche. Auf den vier Holztischen in der Stube stehen Petroleumlampen, und über dem Ofen dampfen die nassen Socken von Wanderern. Immer wenn die Musik aussetzt, haut Hüttenvater Juraj Sikula mit der Faust aufs Radio. Knisternd kehrt die Melodie zurück.

Fünf weitere Stunden dauert der Weg von Jurajs Hütte bis zum Fuß des zweithöchsten Gipfels, dem Chopok. Die Bergstation ist seit Jahrzehnten außer Betrieb. Nur eine Teilstrecke der Seilbahn funktioniert noch. Als nicht mehr genügend Gelder da waren, um die Auflagen des Nationalparks zu erfüllen, stellte man den Betrieb im oberen Abschnitt ein. Das hat den Vorteil, dass weniger Leute kommen und weniger Müll hinterlassen wird. Müll, den ebenfalls Sherpas wieder ins Tal tragen müssen.


Jochen Müssig

Unterwegs am Kamm
Der Höhenweg ist etwa 80 Kilometer lang. Der Hauptkamm ist eine internationale Grenze. Daher muss man auf allen Ausflügen einen Ausweis mitführen.  Am wärmsten wird es im Juli/August mit etwa 21 Grad im Tal und vier Grad am Berg. Von November bis Anfang Juni sind zahlreiche Täler und Berge gesperrt. Mehr unter http://slovakia.travel/de.