Großbritannien

Belfast: Der vergessene Konflikt

Nordirland: Die „Troubles“ sind noch immer lebendig

Wer auf einer Studien- oder Erlebnisreise in Irland unterwegs ist, wandelt meist auf den Spuren von Kelten und Dichtern, besichtigt Ringforts, Dolmen und Klöster, erlebt Pub- und Musikkultur, ob in Dublin, Cork oder den nordirischen Metropolen Belfast und Derry.

Wovon Reisende oft wenig mitbekommen, ist die jüngere Geschichte der geteilten Insel. Um den Nordirland-Konflikt und die IRA ist es – abgesehen von einem Anschlag in einem Dubliner Hotel im Februar – ruhig geworden. Und dass es keine sichtbare Grenze zwischen der Republik Irland und dem britischen Norden gibt, täuscht leicht darüber hinweg, dass die Barrieren in den Köpfen nach wie vor hoch sind.

Wie hoch, das kann man eindrücklich während einer Black-Taxi-Tour durch Belfast erleben: Mit regulären Taxis und ortskundigen Fahrern geht es zu den Schauplätzen der „Troubles“, die 1969 in Derry und Belfast begannen und am 30. Januar 1972 mit dem „Bloody Sunday“, einem Massaker an katholischen Demonstranten, ihren Höhepunkt erreichten.

Mauern trennen Wohngebiete
Seit dem Ende der IRA und den „Peace Talks“ 1998 kommt der Konflikt medial kaum noch vor. Umso erstaunter dürfte manch ein Besucher sein, wenn er per Taxi die zahlreichen Murals ansteuert, riesige, bis heute liebevoll gepflegte Wandgemälde, in denen Gefallene verherrlicht werden. Oder die zahlreichen „Peace Lines“, bis zu 7,50 Meter hohe Mauern, die nach wie vor katholische und protestantische Wohngebiete voneinander trennen.

Zwar gibt es seit Längerem Pläne, die insgesamt knapp 50 Kilometer Mauerwerk in Belfast, Derry und andernorts einzureißen. De facto sind die Mauern aber sogar höher geworden. Etwa zwischen der katholisch-irischen Falls Road und der protestantischen Shankill Road in Belfast, einst Zentrum des Konflikts.

Hier sind in den vergangenen Jahren gut zwei Meter Stahl und Stacheldraht draufgesetzt worden. Und das gesicherte Stahltor an der einzigen Verbindungsstraße zwischen den beiden Vierteln wird nach wie vor jeden Abend geschlossen.

Auch Veranstalter greifen Thematik auf
In den Veranstalterprogrammen kommt das politische Thema nur dosiert vor. Etwa beim Irland-Spezialisten Highländer, der sich vor allem dem Wander- und Aktivurlaub verschrieben hat. Dennoch wolle man den Gästen auch die aktuelle Politik näherbringen, so Produkt-Manager Christoph Winkels. Und so kann es vorkommen, dass eine Gruppe in zwei Taxis mit einem katholischen und einem protestantischen Fahrer unterwegs ist.

Auf die Frage, wie sie denn miteinander auskämen, lautet die einsilbige Antwort: „Es geht schon.“ Und wenn sie befreundet wären? Dann müssten sie sich auf neutralem Boden treffen, etwa in der Innenstadt. Eindrucksvoll zeigt eine solche Tour, wie lebendig der Konflikt am Rande Europas auch heute noch ist.
Jürgen Baltes
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