Dänemark

Christiansö/Frederiksö: Wo Feigen und Weintrauben wachsen

Unter dem Zeichen der Krone: Eine 30 Meter lange Fußgängerbrücke verbindet die beiden kleinen Ostseeinseln Christiansö und Frederiksö miteinander

Zu Besuch auf Bornholms klimabegünstigten Schwesterinseln

Fast 350 Jahre alt: der Festungsturm von Frederiksö. Fotos: hs

Einmal im Jahr setzt auch der Schornsteinfeger über und bleibt zwei Tage, um auf alle Dächer der in sattem Gelb getünchten Häuser mit ihren knallgrünen Fensterkreuzen zu steigen und den Ruß der Winterfeuer aus den Kaminen zu kehren, einmal binnen zwei Jahren schaut die dänische Königin offiziell vorbei – mal standesgemäß mit der Staatsyacht, mal nur kurz mit dem Helikopter. Und öfters kommt sie zusätzlich incognito und bleibt über Nacht. 

Sie sind nur ein paar Leute hier, keine 100 alle zusammen. Aber sie bekommen viel Besuch, vor allem im Sommer: Weil es so schön ist, so warm, so sonnig, weil die Königin so gern herfährt. Und nach halb fünf Uhr nachmittags ist es so unfassbar still. 

Dann ist der Rummel schlagartig vorbei, das letzte Linienschiff wieder auf dem Rückweg nach Bornholm oder mit Nordkurs hinauf nach Simrishamn in Südschweden hinter dem Horizont verschwunden. Dann sind die Tagesbesucher auf dem Nachhauseweg und die 92 Insulaner wieder unter sich. 

Sie schließen die Eisdiele ab, schalten die Kaffeemaschinen aus, sperren den Kunsthandwerker-Souvenirshop zu. 

Sie verschwinden wieder in ihren Hängematten zwischen den Obstbäumen, dösen im Liegestuhl unterm Feigenbaum, werkeln im Gärtchen zwischen all den Rosen, gießen die Weinstöcke an der Hauswand oder treffen sich zum Schachspielen im Windschatten der alten Schule auf dem höchsten Punkt der Insel gleich neben der Kirche.

Christiansö und Frederiksö sind Dänemarks östlichste Inseln, eher der polnischen Küste vorgelagert als der eigenen, näher an Stettin als an der Hauptstadt Kopenhagen. 

Die weitaus größere Schwesterinsel Bornholm ist dreißig Fahrtminuten mit dem Express-Ausflugsboot oder gut anderthalb Stunden mit dem alten Postschiff MS Peter entfernt, mit dem alles herantransportiert wird, was auf den beiden Inseln gegessen, getrunken, gepflanzt, gelesen oder sonst irgendwie genutzt wird. 

Auch das neue Pfannen-Set für Gastwirtin Charlotte Hallberg Andersen, das Spezial-Fernglas für Hafenmeister John Anker Nielsen oder das neue Sofa für Inselverwalter Ulrich Longkjaer – alles kommt mit dem alten, weißen Transportschiff. 

Die beiden Inseln sind zusammengenommen nur 26 Hektar groß – und nur nur dreißig Meter voneinander entfernt. Eine Brücke überspannt diese Meerenge, und ein Schildchen warnt, dass das Konstrukt maximal zehn Menschen zugleich trage und man im Zweifel einen Moment warten möge ...

Die Ertholmene, die so genannten „Erbseninseln“ mitten in der Ostsee, sind die sonnenreichsten und zugleich regenärmsten Flecken Dänemarks.

Sie gelten als klimabegünstigt, und fast immer während des Sommerhalbjahres ist es hier ein paar Grad wärmer als auf dem Festland. Deshalb gedeihen auch Feigen- und Maulbeerbäume, deswegen wächst hier Wein, deshalb wirkt die Flora so mediterran. Und wahrscheinlich auch deswegen ist das Lebensgefühl so südländisch relaxt. Eine Schule gibt es, eine Bibliothek, einen Kaufmannsladen, eine Feuerwehrwache, keinen Arzt, keinen Friseur, keine Apotheke. Und keinen Schornsteinfeger – von zwei Tagen im Juli oder August abgesehen.

Helge Sobik