Frankreich

Juan-les-Pins: Der Klang der Cote

Tagsüber Strandbummel, abends Weltklasse-Jazz keine 15 Schritte vom Mittelmeer. Foto: hs

Ein Jazz-Festival zeigt die coole Seite der Cote d’Azur

Der Mann mit der Leopardenlook-Badehose ist nicht mehr da, spielt nicht mehr Trompete. Und auch die Frau, deren Stimme über fast drei Oktaven reichte, fehlt. Miles Davis. Ella Fitzgerald. Aber ihre Songs sind noch da, ihre Melodien hallen unter den Pinien von La Pinede am Ansatz des Cap d’Antibes nach, an den Stränden von Juan-les-Pins – und in den Köpfen der Gäste, von denen viele seit Jahren, manche seit Jahrzehnten immer wiederkommen und ihren Urlaub anhand des Konzertkalenders planen.

Das Festival „Jazz à Juan“ passt nicht zur Cote d’Azur, und das ist es wahrscheinlich, was einen wesentlichen Teil des Erfolgs ausmacht: Die Veranstaltung ist kein Schaulaufen der Eitelkeiten, nicht beschränkt auf den Inner-Circle der vielen Cote-Millionäre, sondern bewusst bodenständig. Etwas für die Einheimischen und für ganz normale Urlauber. Eine Abendkarte in der einfachsten Kategorie ist bereits ab etwa 20 Euro zu haben.

Manche Konzerte sind sogar kostenlos. Mal in der großen Arena, und mal gehen die Künstler den umgekehrten Weg und treten ohne konkrete Zeiten und genaue Ortsangaben in den Straßen und auf den Plätzen von Juan-les-Pins und Antibes auf.

Plötzlich stehen drei Mann mit Saxophonen bis zu den Knien im Meer und jazzen drauflos, plötzlich spielt einer unfassbar gut Gitarre – und ein paar Schritte weiter steigt einer mit seiner Trompete in die Melodie ein, und als beide leiser werden, macht eine Frau mit langen blonden Haaren einen Schritt nach vorne und singt dazu. Und wo eben noch alles in Bewegung war, Menschen ohne Ziel entlangeilten, ist plötzlich Stillstand: weil alle lauschen.

Es begann ganz klein, obwohl schon von Anfang an die großen Namen dabei waren: Josefine Baker und Duke Ellington zum Beispiel, später Little Richard, Chick Corea, noch später Gilberto Gil. Die meisten von ihnen haben einen Abdruck ihrer Hände im feuchten Beton der hiesigen Ruhmes-Allee des Jazz zwischen einem Kinderspielplatz und dem Strand hinterlassen.

Marianne Estene-Chauvin hat die Bilder noch ‧genau vor Augen, die sich ihr als Kind am Badesteg des großelterlichen Hotels Belles-Rives boten: von Miles Davis in Leopardenlook-Badehose zum Beispiel, die er mit einer solchen Selbstverständlichkeit trug, als kleidete jeder in den 1960er Jahren sich auf dem Weg zum Meer so.

Sie lächelt bei dem Gedanken daran, hat seinerzeit auch Ella Fitzgerald kennengelernt. „Damals“, sagt sie, „kamen die Künstler nicht bloß für ihren Auftritt. Sie waren auch hier wegen der Cote, wegen Sonne und Licht und Luft.“ Heute gibt es noch einige, die es genauso machen.

2018 steigt das Festival „Jazz à Juan“ vom 12. bis 22. Juli. Mit dabei sind unter anderem Lenny Kravitz und Chick Corea.
Helge Sobik