Mexiko

Metropole im Wandel

Hingucker: Museo Soumaya im Stadtteil Polanco.

Mexiko-Stadt lockt mit Radwegen und quirliger Lebensfreude

Der erste Kunde ist schon da: Fahrradverleih in Mexiko-Stadt. Fotos: jmw

Auf den ersten Blick wirkt Mexiko-Stadt unverändert. Auf dem Zocalo – dem Hauptplatz der Megametropole mit rund 20 Millionen Einwohnern – demonstrieren Lehrer für höhere Gehälter, vor der nahen Kathedrale bieten Klempner, Maler und Elektriker ihre Arbeitskraft feil, und auf den überfüllten Bürgersteigen warten Schuhputzer und ambulante Händler auf Kunden.

Doch auf den zweiten Blick bemerken diejenigen Besucher, die schon einmal in Mexiko-Stadt waren, die vielen kleinen Veränderungen. Direkt neben dem Zocalo beginnt jetzt eine Fußgängerzone, so dass die Menschen nun mitten in der Millionenstadt in aller Ruhe bummeln und die Auslagen der zahllosen Geschäfte betrachten können.

Im Zentrum der Hauptstadt sind seit kurzem auch Radfahrer zu sehen – ein kleines Wunder in einer Stadt, die seit vielen Jahren jeden Tag ein bisschen mehr am Verkehrsinfarkt leidet. Touristen können eine begleitete Radtour buchen oder auf eigene Faust ein Fahrrad ausleihen, was allerdings nicht ganz unkompliziert ist. Für die Radler existieren sogar eigene Fahrspuren.

Deutliche Veränderungen gibt es auch in der Museumslandschaft der Metropole. Gerade für deutsche Gäste bietet sich ein Besuch des Ende 2010 eröffneten Museums für Toleranz und Erinnerung im Herzen der Stadt an. In einer multimedialen Ausstellung wird nicht nur der Holocaust thematisiert, sondern auch die anderen Völkermorde des 20. und 21. Jahrhunderts. Eine Lehrstunde in globaler Geschichte, die sich auf jeden Fall lohnt.

Ein paar Kilometer weiter lockt das vom mexikanischen Multimilliardär Carlos Slim gesponserte Museo Soumaya im noblen Stadtteil Polanco mit rund 66.000 Exponaten. Darunter befinden sich neben den Werken europäischer Künstler wie Rodin, van Gogh, Dali und Miro viele Kunstgegenstände einheimischer Künstler aus Gegenwart und Vergangenheit. Ein Besuch lohnt nicht nur wegen der Breite der Ausstellung, sondern auch wegen der extravaganten Architektur des Gebäudes, die ausgesprochen gut zum quirligen Szenestadtteil Polanco passt.

Hier leben vor allem sehr gut betuchte Mexikaner und Ausländer, die sich das Leben in dieser grünen und aus gesprochen teuren Oase inmitten der Stadt leisten können. In den zahlreichen Cafés, Bars und Restaurants lassen es sich die Reichen und Schönen bei einem Espresso oder Cappuccino gut gehen und besprechen ihre Geschäfte oder den neuesten Klatsch. Auf den gepflegten Wegen im Viertel sind Radfahrer im dunklen Anzug unterwegs, und die kleinen Parks werden von unzähligen Spaziergängern und Skatern bevölkert. Polanco ist das krasse Kontrastprogramm zu vielen anderen Bezirken, in denen Mexiko-Stadt noch immer eine typische Metropole der Dritten Welt ist.

Auch zahlreiche jüdische Mexikaner schätzen die angenehme Atmosphäre Polancos. Etliche Geschäfte und Restaurants weisen darauf hin, dass ihre Angebote koscher sind, und am späten Freitagnachmittag sieht man viele Juden, die – in feines Tuch gewandet – auf dem Weg in die Synagogen sind. Im noblen Polanco schlägt das Herz des jüdischen Lebens in Mexiko.
Jörg-Michael Weiß
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