Chile

Pfahlbauten und Pinguine

Pfahlhäuser in Castros Stadtviertel Gamboa.

Das bunte Treiben auf Chiles zweitgrößter Insel Chiloe

Alles aus Holz: das Innere der Kirche San Francisco. Fotos: ah

Plötzlich endet die Panamericana. Nach über 40.000 Kilometern ist im Süden der Insel Chiloe Schluss. Der Grund: In Chiles Hauptstadt Santiago teilt sich die Panamericana Pacifico Longitudinal. Während eine Route über Buenos Aires nach Feuerland führt, ist die andere eine Sackgasse mit dem Ziel Quellon – die letzte Bastion der Zivilisation im Süden von Chiloe.

Am Ausgang des windigen Örtchens verweist eine Infotafel auf das Ende der Panamericana und man fühlt sich wie am Ende der Welt. Der Regen peitscht ins Gesicht, die wenigen Einwohner haben die Kapuze tief ins Gesicht gezogen und marschieren flott über die Bürgersteige. Es gibt nun mal schönere Orte auf Chiloe.

Die grüne Insel im Norden von Patagonien ist 180 Kilometer lang und 50 Kilometer breit, 150.000 Menschen leben hier. Die Straßen sind meist asphaltiert und gut ausgebaut. Drei Attraktionen ziehen Touristen auf Chiles zweitgrößte Insel: die Pfahlhäuser in der Inselhauptstadt Castro, die Pinguine von Ancud und die als Unesco-Weltkulturerbe geadelten Holzkirchen. Besucher reisen auf grell bemalten Fährschiffen über den zwei Kilometer breiten Kanal auf die Insel.

Auf der Fähre parken Überlandbusse, schmutzige Lastwagen und wenige Mietwagen. Im chilenischen Sommer wird es auf Chiloe voll. Im Dezember und Januar platzt die Insel aus allen Nähten. Nach einer halben Stunde Überfahrt springen die Fährpassagiere in ihre Fahrzeuge, geben Gas und werden von einer Bilderflut eingenommen. Rechts und links der Panamericana blüht meterhoch der Ginster. Die Landschaft ist in tiefgelbe Farben getaucht. Das Inselinnere erreicht durch die Hügelkette Cordillera de Piuche Höhen von bis zu 860 Metern.

Die botanische Üppigkeit hat einen feuchten Nachteil: Regen. Chiloe ist ein nasses Paradies. Dicke Tropfen fallen häufig. Speziell der Inselwesten ist für hohe Niederschlagszahlen berüchtigt – jährlich 250 Regentage. Das erste Ziel für Touristen ist von der Fähre schnell erreicht. Von der Stadt Ancud mit verschindelten Häuserwänden unternehmen Touristen eine halbstündige Bootsfahrt zu den vorgelagerten Inseln. Die örtlichen Fischer verdienen sich etwas dazu, zeigen Touristen Magellan- und Humboldt-Pinguine.

Nächstes Highlight sind die Holzkirchen. Seit 2000 gehören mehr als ein Dutzend aus dem 18. und 19. Jahrhundert zum Unesco-Weltkulturerbe. Das größte Gotteshaus steht in der Inselhauptstadt Castro. Die Iglesia San Francisco am zentralen Plaza de Armas wirkt von außen durch ihren gelb-lila Anstrich wie eine kitschige Kleinstadtkirche. Erst im Sakralbau wird die beeindruckende Holzkonstruktion ersichtlich. Ohne Verwendung eines einzigen Nagels entstand die neogotische Kirche, die an die Stabkirchen Norwegens erinnert. Weitere sehenswerte Holzkirchen sind über die Insel verteilt, allerdings sind viele der abseits gelegenen Gebäude verschlossen.

Castro ist für seine Palafitos berühmt. Die markanten Pfahlbauten stehen im Stadtviertel Gamboa und an der Calle Pedro Montt. Früher hausten Fischerfamilien in den einfachen Häusern. Heute sind die bunten Palafitos meist Hotels, Backpacker-Hostels und Restaurants. Touristen probieren dort das typische Curanto – eine Fisch-Fleisch-Gemüse-Muschelsuppe. Solchermaßen gestärkt wartet in Castros Hafen der sehenswerte Kunsthandwerksmarkt auf Besucher. Das Angebot reicht von bunten Ponchos über Bastkörbe bis zu kratzigen Wollpullovern vom Schaf oder die weiche Variante vom Baby-Alpaka.
Arne Hübner