Suriname

Apokalypse und Paradies

Die Bootstour auf dem Brokopondo hat etwas Gespenstisches.

Die Bootstour auf dem Brokopondo hat etwas Gespenstisches.

Suriname ist immer noch ein weißer Fleck auf der Landkarte

Ständchen zur Begrüßung der Besucher

Ständchen zur Begrüßung der Besucher. Fotos: jm

Mein Neffe kam als Jugendlicher einmal pro Jahr zu Besuch. Ich bin der Onkel von Clarence Seedorf!“, sagt Karl. Der Gärtner vom Bergendal Resort am Suriname River erinnert sich gern an seinen lange für die niederländische Nationalmannschaft kickenden Neffen. Karl erinnert an einen Kariben.

Am Straßenrand verkauft der Hindu Bysai, dessen Familie schon seit Generationen im Land lebt, Trinkkokosnuss für umgerechnet einen halben Euro. Fu Lin hingegen ist einer der vielen Chinesen, die ein Lebensmittelgeschäft führen. Und Wayan, wie in Indonesien traditionell die Erstgeborenen heißen, nimmt in seinem Restaurant die Bestellung für ein Nasi Goreng auf.

In Surinams Hauptstadt Paramaribo, wegen ihrer Holzbauten seit 2002 Weltkulturerbe, stehen Kirche, Moschee, Hindutempel und Synagoge einträchtig nebeneinander. Die Straßennamen sind holländisch, das Leben auf den Straßen karibisch-heiter. Das Land im Norden des südamerikanischen Kontinents vereint auf engem Raum und auf unaufgeregte, weil gewachsene Weise holländische und kreolische, westafrikanische und indische, aber auch indonesische und deutsche Einflüsse. So manche Plantage trägt noch heute deutsche Namen, wie etwa Altona oder „Berlijn“.

„Instappen!“ – einsteigen – sagt Bootsführer Oswaldo. Er ist ein Maroon wie etwa ein Viertel der insgesamt 500.000 Einwohner. Sie sind die Nachkommen geflüchteter Sklaven. Und viele von ihnen leben am Brokopondo, einem künstlich angelegten Stausee, dreimal so groß wie der Bodensee, der aussieht wie nach einem Atomangriff. Apokalyptisch ragen Tausende von einst überfluteten und nun abgestorbenen Bäumen schwarz in den Himmel. An einigen Stellen stemmt Oswaldo mit seinem zehn Meter langen und zwei Personen schmalen Boot die Überreste der Bäume beiseite. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht, irgendwie durch dieses Labyrinth zu kommen. Im See schrubben farbenfroh gekleidete Frauen die Wäsche und unterhalten sich lautstark.

85 Prozent des Landes sind fast unberührter Regenwald. Weit mehr als 90 Prozent der Menschen leben entlang der Küstenregion im Norden oder entlang der acht Flüsse. „Instappen!“, sagt Oswaldo wieder. Der Oberlauf des Suriname Rivers, Dorfbesuche und schöne Lodges warten. Ab jetzt gibt es keine Straßen mehr. Der Fluss und das Boot sind die einzigen Fortbewegungsmittel. Es ist eine Regenwaldeinsteigertour mit schwarzen Felsen und goldbraunen Sandbänken, mit Stromschnellen und gemütlichen Passagen wie im Paradies.

Jochen Müssig

 

Reiseinformationen
Die beste Reisezeit ist Januar bis Mai und September bis November. Das Visum gibt’s für 20 Euro am Flughafen von Paramaribo – mit Europa direkt verbunden durch KLM und Surinam Airways. Reisen sind über den Schweizer Spezialisten Suriname Travel Organisation (www.suriname.ch) buchbar (Reisebüros erhalten zehn Prozent Provision), bei dem unter anderem Ikarus, Miller Reisen und Tourismus Schiegg ihr Programm einbuchen. Weitere Infos: www.surinametourism.sr.